: Brandenburger Pläne gefährden Berliner Einzelhandel
■ Wieder einmal gibt es zwischen Berlin und Brandenburg Streit um ein Factory-Outlet-Center. Der Konflikt verdeutlicht auch die Schwierigkeiten einer gemeinsamen Landesplanung
Der Streit um die Errichtung von Factory-Outlet-Zentren (FOC) im Umland geht in eine neue Runde. Anlaß ist der geplante Bau eines FOC im südlich von Berlin gelegenen Ludwigsfelde. Die Berliner Entwicklungs- und Management-Gesellschaft (EMG) will hier ein Zentrum mit ca. 10.000 Quadratmeter Verkaufsfläche und weiteren Flächen für Kultur, Freizeit und andere Dienstleistungen realisieren.
Nachdem sich eine Mehrheit der Ludwigsfelder Bevölkerung bei einem Bürgerentscheid im Herbst für den Bau des FOC ausgesprochen hatte, gehen die Planungen nun in die heiße Phase. Die offiziellen Unterlagen für ein Raumordnungsverfahren sind zwar noch nicht bei den Behörden eingegangen, aber der Brandenburgische Staatssekretär für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung, Rainer Speer (SPD), hat bereits sein Wohlwollen gegenüber dem Vorhaben signalisiert. Die Erteilung der Baugenehmigung scheint dann nur noch Formsache, immerhin kann sich die EMG bereits jetzt der tatkräftigen Unterstützung der Gemeinde sicher sein. Mit einem Baubeginn ist noch in diesem Jahr zu rechnen.
Kritik an dem Vorhaben kommt außer von den Ludwigsfelder Einzelhändlern vor allem aus Berlin. Der Senat will dem Bau des FOC nur zähneknirschend zustimmen, während die Grünen gegen das Vorhaben sogar Sturm laufen. Ihre stadtentwicklungspolitische Sprecherin Claudia Hämmerling wirft Staatssekretär Speer vor, mit seinen Äußerungen in „Gutsherrenmanier“ das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens bereits vorweggenommen zu haben. Die volkswirtschaftliche Bilanz der FOC sei negativ, da effektiv Arbeitsplätze vernichtet, Verkehr produziert und „Zentrenstruktur und somit Urbanität der umliegenden Städte vernichtet“ werden würden, so Hämmerling.
Die aus England und den USA stammende Idee der Factory Outlets, wo Markenhersteller im großen Stil zu Niedrigpreisen verkaufen, ist seit längerem umstritten. Schließlich bedeuten die Schnäppchen-Center noch stärker als die einfachen großflächigen Einzelhandelzentren im Umland Umsatzeinbußen für den herkömmlichen Einzelhandel.
Raumplanerisch stellen die Einkaufszentren auf der grünen Wiese eigentlich ein Tabu dar: Versiegelte Landschaften, Aufbau einer parallelen und Abwertung der vorhandenen Infrastruktur sind nur einige der Folgen. Dem stehen die Interessen der Gemeinden gegenüber, die sich vom Bau der Zentren Gewerbesteuereinnahmen und Arbeitsplätze in der Region versprechen.
In der Vergangenheit war es trotz gemeinsamer Landesplanung wiederholt auch zwischen den Landesregierungen zu Unstimmigkeiten über den Bau von Factory Outlets gekommen. Während man in Brandenburg befürchtet, daß Berlin sich lediglich die Konkurrenz vom Leib halten will, haben die Berliner Angst, daß man sich in Brandenburg über die gemeinsame Landesplanung hinwegsetzt und weitere Zentren genehmigt: Die noch immer existierenden Vorbehalte Brandenburgs gegen die Zentren ist bei Regierung, Behörden und insbesondere den Gemeinden nicht unumstritten. Zwar verbietet der gemeinsame Landesentwicklungsplan engerer Verflechtungsraum (LEPeV) großflächigen Einzelhandel außerhalb der Brandenburger Zentren im Umland. Aber für Bauvorhaben, die bereits vor Inkrafttreten des LEPeV im März vergangenen Jahres in Planung gegangen sind, gilt diese Verordnung nicht. Derzeit seien regelrechte Scouts in Brandenburger Gemeinden auf der Suche nach alten Bauplanungen, mit denen man den LEPeV und die gemeinsame Landesplanungsbehörde umgehen könnte, so deren Berliner Vertreter Manfred Sinz.
Auf Dauer seien die FOC nicht zu verhindern, meint Sinz. Für ihn wäre die zähneknirschende Genehmigung des Standorts Ludwigsfelde daher ein „kleines Ventil“, um den politischen Druck auf Berlin abzulassen: „Wenn wir bestimmte Vorhaben verhindern, dann müssen wir andere genehmigen.“ In diesem Sinne sei Ludwigsfelde für Berlin das annehmbarste Projekt: Einerseits liege das geplante FOC nicht auf der grünen Wiese, sondern in einem Mittelzentrum, das zudem das einzige im Berliner Süden ist. Andererseits handele es sich bei dem geplanten Angebotssortiment, das auch Freizeitangebote und herkömmlichen Einzelhandel integriere, nicht um ein traditionelles FOC. „Absolute Obergrenze“ für die Verkaufsfläche seien aber 8.000 bis 10.000 Quadratmeter, so Sinz, der sich in Übereinstimmung mit Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) sieht.
Derzeit sind neben Ludwigsfelde vier weitere Standorte für Factory Outlets geplant und heiß umstritten. Während Brandenburg (Stadt) sich noch in der Planung befindet, laufen für Ragow, Marquardt und Eichstädt bereits verschiedene Gerichtsverfahren zwischen Gemeinden und Investoren auf der einen und den Landesregierungen bzw. der gemeinsamen Landesplanungsbehörde auf der anderen Seite. Auch für das bereits im Bau befindliche FOC in Wustermark stehen noch langwierige Verfahren aus. Zwar lehnte das Oberverwaltungsgericht im Dezember in zweiter Instanz einen vorläufigen Rechtsantrag der Stadt Potsdam auf Aussetzung der Baugenehmigung ab. Das ordentliche Verfahren in dieser Sache steht aber ebenso aus, wie die Entscheidung über eine Klage Spandaus gegen das FOC. Rechtsanwalt Holger Schmitz, der Spandau und Potsdam vertritt, rechnet sich gute Chancen aus, doch noch ein Verbot des Zentrums zu erreichen. Durch neue Gutachten sei in beiden Fällen das Kriterium der Richter nachgewiesen, daß das FOC für den Einzelhandel in Potsdam und Spandau erhebliche Umsatzeinbußen bringen werde.
Sollten sich die Richter in dem unter Umständen zwei Jahre dauernden Verfahren tatsächlich auf die Seite der Kläger stellen, müßte der FOC-Bau einer anderen Nutzung zugeführt werden. Ein Szenario, das Grünen-Sprecherin Hämmerling auch den anderen in Planung befindlichen FOC prophezeit: Da der Kundenkreis eines FOC etwa fünf Millionen Menschen umfasse, könne auf Dauer im Berliner Umland nur eins überleben. Tobias Singelnstein
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