: Geschlossenheit selbst für Peter Strieder
■ Die Berliner SPD wählt ihren neuen Vorsitzenden, den Kreuzberger Parteilinken Strieder, mit für ihn erstaunlich guten 80,8 Prozent. Der neue SPD-Spitzenkandidat Walter Momper läßt sich feiern
„... und jetzt gehen wir zusammen Bier trinken.“ Selten stand die Berliner SPD so geschlossen hinter einem ihrer Vorsitzenden wie am Mittwoch abend. Gegen 22 Uhr, der neue Vorsitzende Peter Strieder war mit 80,8 Prozent der Delegiertenstimmen gewählt, rief er Freibier aus, und die GenossInnen marschierten einmütig zum Zapfhahn im Restaurant der Kongreßhalle am Berliner Alexanderplatz.
Geschlossenheit war das Motto dieses kurzfristig einberufenen Sonderparteitags. Vor zehn Tagen erst hatte in einer Urabstimmung der ehemalige Regierende Bürgermeister Walter Momper das Rennen gemacht um die Spitzenkandidatur der SPD für die Abgeordnetenhauswahlen im Oktober. Prompt waren der bis dahin amtierende Landesvorsitzende und sein Geschäftsführer – beides keine Momper-Freunde – zurückgetreten. Momper schlug wie erwartet Strieder als Nachfolger vor. Und seitdem demonstriert die Partei Geschlossenheit.
„Luftikus“ hatte so mancher Genosse bisher den neuen Parteivorsitzenden genannt, gar eine „Lachnummer“ attestierte man dem Parteilinken. Doch Peter Strieder gehört nun in das Team von Walter Momper – trotz früherer Bedenken sprachen ihm deshalb die meisten Parteitagsdelegierten das Vertrauen aus. Ohnehin schimmerte in der Kongreßhalle zuweilen der Charme eines SED-Parteitags: bei der nicht enden wollenden verlesenen Liste der Parteitagsgäste. Bei der Beschwörung der Geschlossenheit der Partei. Und beim rhythmisch abgestimmten Klatschen für allein durchschnittliche Reden.
Der Parteitag war zugleich der erste öffentliche Auftritt von Walter Momper nach seiner Wahl. Doch auch jetzt hielt er sich an das neue Motto: Gemeinsam, beide in dunkelgraues Tuch gekleidet, betraten Momper und sein bei der Urwahl unterlegener Gegenkandidat, SPD-Fraktionschef Klaus Böger, den Saal. Zu unterscheiden eigentlich nur an der Krawattenfarbe und an der Größe der Platte auf dem Hinterkopf. Der Applaus für ihre nacheinander gehaltenen Reden hielt sich denn auch etwa die Waage.
Dabei wirkte es fast wie eine Drohung, als der vom Großteil der Funktionäre ungeliebte Momper eben jenen zurief: „Ich bin wieder in eurer Mitte.“ Und unbescheiden verlangte er Applaus. „Ihr wißt, die Beobachter messen Zustimmung in Phonstärken und Applaussekunden. Sie wollen wissen, ob Ihr ausreichend jubelt oder ich fremd wirke. Aber das ist jetzt nicht wichtig.“ Natürlich sei ihm auch bewußt, daß einige enttäuscht seien, weil sie auf Klaus Böger gesetzt hätten und gegen ihn Vorbehalte hätten, „aber ich will Vertrauen schaffen in der Partei, denn nur wenn wir uns gegenseitig vertrauen, könnnen wir auch zusammenstehen“.
Aber dann war er doch wieder der alte Momper, der – wenn auch in moderatem Ton – einige Stolpersteine für seine GenossInnen vorbereitet hatte. Während sich die GenossInnen im Saal noch darüber wunderten, daß er versprach: „Als Regierender Bürgermeister werde ich Parteitagsbeschlüsse strikt auslegen und voll anwenden“, war Walter Momper schon bei der nächsten und entscheidenden Passage seiner Rede: „Ich werde mich aber zusammen mit Peter Strieder, Klaus Böger und Annette Fugmann-Heesing dafür einsetzen, daß die Beschlüsse politischer werden und näher an die Wirklichkeit rücken. Und wenn die Realisierung eines älteren Parteitagsbeschlusses wirklich im Konflikt zum Wohl der Stadt stehen sollte, dann werde ich mir erlauben, dem Wohl der Stadt den Vorzug zu geben. Denn das Wohl der Stadt geht vor das Wohl der Partei.“
Aber die Genossen hatten's nicht so recht gemerkt, die Einheit und Geschlossenheit war schließlich versprochen, inszeniert und besiegelt. Und gemeinsam will man nun am 10. Oktober die CDU besiegen. Barbara Junge
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