: Einmal durch den Elbtunnel und zurück
■ Viele Hamburger Junglehrer zieht es ins Niedersächsische, denn dort sind sie Beamte
Alexander Haase-Mühlener ist ein typischer Hamburger Junglehrer. Im August vorigen Jahres bot ihm die Schulbehörde zunächst eine halbe, später eine Dreiviertel-Stelle am Gymnasium Hochrad in Othmarschen an. Seither unterrichtet der 30jährige dort 18 Stunden lang Biologie, Geschichte und Sport. 2400 Mark netto verdient er als Angestellter. Doch Alexander Haase-Mühlener möchte mehr. „Heute war mein letzter Schultag“, erklärte er gestern. Eine neue Stelle hat er zwar noch nicht, doch er ist guter Dinge. Immerhin bietet das Land Niedersachsen motivierten Lehrern Dreiviertel-Verträge als Beamte. Nach vier Jahren besteht dann Anspruch auf eine volle Stelle.
Ganze sieben Gymnasiallehrer, so erklärt Egon Tegge vom zuständigen Personalrat, wurden im vorigen Jahr neu und befristet eingestellt. Drei von ihnen – darunter Alexander Haase-Mühlener – haben schon wieder gekündigt. An den Grund-, Haupt- und Realschulen Hamburgs sieht es ähnlich aus. Jeder zehnte Junglehrer verzichtete hier in den vergangenen anderthalb Jahren auf weitere befristete Teilzeitverträge als angestellter Lehrer.
Besonders drastisch macht sich der Junglehrer-Schwund bei den Berufsschulen bemerkbar. Im laufenden Schulhalbjahr kündigten rund zwanzig Prozent aller Neueingestellten nach wenigen Monaten wieder, da sie nicht bereit waren, zu den Hamburger Beschäftigungsbedingungen weiterzuarbeiten. So auch Niels Kummitz. Der gelernte Dachdecker unterrichtete bis gestern als Dreiviertel-Angestellter Bautechnik an einer Gewerbeschule. Ab kommenden Montag wird der 38jährige Dreiviertel-Beamter an einer Berufsschule in Stade sein. Ausschlaggebend für Kummitz ist: „Dort verdiene ich mehr Geld.“ Außerdem muß er nicht einmal umziehen: „Einmal durch den Tunnel, und schon bin ich da.“
„Vor diesem Hintergrund ist es absurd, weiterhin junge Lehrer nur als Teilzeit-Angestellte einzustellen“, meint GEW-Chefin Anna Ammonn. Absurd sei in diesem Zusammenhang aber auch, daß die Schulbehörde ab August die sogenannte Altersermäßigung streichen will. Die erlaubt es Lehrern ab 55 bisher, eine und später zwei Stunden weniger zu unterrichten. Durch die Streichung, so erklärt Ammonn, wolle die Schulbehörde rein rechnerisch 199 Stellen einsparen.
Auf den Altersdurchschnitt der Hamburger Lehrerschaft wird sich das nicht gerade verjüngend auswirken. Schon heute sind von den insgesamt 15.700 beschäftigten LehrerInnen nur 3700 Pädagogen jünger als 45 Jahre alt. „Mein jüngster Kollege“, so erzählt auch der 30jährige Alexander Haase-Mühlener, „war 45 Jahre alt. Wir beide waren die Nesthäkchen im Kollegium.“ flo
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