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„Errette mich vor Feinden“

■ Ein Paar aus Togo bliebt trotz Duldung im Bremer Kirchenasyl / Mittwoch urteilt das Gericht über ihren Asylfolgeantrag / „Was, wenn wir wieder abgelehnt werden?“

Wenn das Telefon klingelt, sprintet Caroline Mensah* durchs Gemeindehaus. „Sonst legen die Leute wieder auf“, sagt Ehemann George*. Die beiden Togoer im Kirchenasyl schätzen Kontakte hoch. Im vergangenen Herbst hätten sie sich ohne Begleitung von Gemeindemitgliedern nicht einmal zum Arzt getraut. Aus Angst vor der Festnahnme. Da waren Caroline und George schon im Kirchenasyl. Ihr direkter Draht zu Kirchenleuten hatte sie vor der Abschiebung geschützt.

„Bevor wir die beiden in unsere Obhut genommen haben, kannten wir George schon. Er war in unserer Gemeinde aufgetreten“, blickt der Gemeindepfarrer zurück. George ist Sänger der Musikgruppe Elavanyo, von Exil-Togoern in Bremen gegründet. Zu ihrem Repertoire gehören nicht nur Choräle und Volkstümliches, sondern auch Politisches, böse Anspielungen auf Togos Diktator Gnassingbé Eyadéma. Aus Angst vor dessen unberechenbarer Verfolgung, vom Auswärtigen Amt attestiert, haben die meisten von ihnen Togo verlassen. Auch George Mensah.

Der freie Fotograf aus Lomé war bei einer Razzia in seinem Viertel geistesgegenwärtig aufs Hausdach gestiegen und hatte dort unerkannt die Übergriffe der Polizei auf Zivilisten fotografiert. Die Bilder von schlagenden Uniformierten und flüchtenden NachbarInnen erschienen anonym im oppositionellen Courrier du Golfe und dem Forum hebdo. Doch erst als George Mensah der Polizei Jahre später mitsamt Fotoapparat in die Hände fiel, kam die große Angst. „Meine Personalien waren bekannt, ich wurde vorgeladen.“ George und Caroline tauchten unter und flohen nach Deutschland, wo ihr Asylantrag erst vom Bundesamt, dann vom Bremer Verwaltungsgericht abgelehnt wurde. Das „fluchtauslösende Moment“ erschien nicht ausreichend glaubwürdig. Keine Chance auch auf Duldung: Bei einer Rückkehr ins Heimatland drohe politische Verfolgung „nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit“. Erst das Kirchenasyl verschaffte beiden die Chance, den Ausgang eines Asylfolgeantrags, der am kommenden Mittwoch vor Gericht verhandelt wird, in Bremen abzuwarten.

„Es sind doch vor allem Leute wie wir, die Kleinen und Jungen, die ihr Leben für politische Veränderung aufs Spiel setzen“, sagt George. In der kleinen Kirchenwohnung, wo die Mensahs Unterschlupf gefunden haben, verfolgt er das Weltgeschehen am Bildschirm. „Zaire. Kosovo. Alles Junge.“ Politisches Asyl dagegen bekämen vor allem die Großen und Bekannten. „Da stimmt was nicht.“ Beispiel Togo: „Bei den Präsidentschaftswahlen im Sommer saß der Spitzenkandidat der Opposition im Exil in Ghana. Auf den Straßen von Lomé haben die jungen Leute alles für ihn riskiert, aber glaub' nicht, daß sie dafür Asyl bekämen.“ George ist bitter.

Mit seinen Argumenten überzeugt er sogar solche Gemeindejugendliche, die für Kirchenasyl wenig übrig haben. „Die waren nach Gesprächen mit George ganz schön betroffen“, beobachtete der Diakon. Natürlich gebe es auch Kritik von Älteren. Aber insgesamt stehe die Mehrheit der Gemeindemitglieder seit dem Beschluß des Kirchenvorstands im vergangenen Herbst hinter dem Kirchenasyl – „das es gesetzlich gar nicht gibt“, wie der Pfarrer einräumt.

Mehrere evangelische Gemeinden haben sich zum Schutz der Mensahs zusammengeschlossen. „Es gibt viel zu organisieren, bis hin zu kostenlosen Arztbesuchen“, sagt der Diakon. Zu viel für eine einzelne Gemeinde. Bevor das Kirchenasyl ausgesprochen wurde – das kurz vor Weihnachten durch eine Duldung bis zum Gerichtstermin entschärft wurde – habe man den Fall der Mensahs geprüft. Gemeindemitglieder, darunter Diakon und Pfarrer, kennen Togo. „Wir haben dort eine Partnergemeinde.“ Eine andere Lösung als Kirchenasyl habe es nicht gegeben. „Für diesen Einzelfall treten wir ein“, betont auch Heinz Hermann Brauer, Präsident der Bremischen Evangelischen Kirche. „Gleichwohl wissen wir, daß in Bremen zahlreiche Togoer in einer ähnlich bedrohlichen Lage sind.“ Für Caroline und George erschien sie so bedrohlich, daß sie trotz Duldung nicht wieder in die eigene Wohnung zurücckehrten.

In der alten, roten Backsteinkirche im Bremer Norden, wo sie Zuflucht fanden, sind sie häufig Thema. Direkt oder indirekt. „Errette mich vor der Hand meiner Feinde und von denen, die mich verfolgen.“ Den 31. Psalm beteten gestern der Gemeindepfarrer und die GottesdienstbesucherInnen, darunter George und Caroline Mensah. Dabei werden im Gottesdienst auch Konfliktlinien genannt: „Ich wünsche mir, daß wir keine Angst haben, daß Menschen aus der Kirche austreten, weil wir soziale Mißstände aufzeigen“, mahnt der Pfarrer von der alten, hölzernen Kanzel herab. Die Gemeinde verstehe ihr Engagement im urchristlichen Sinne, betont er später. Niemand wolle politischen Streit anzetteln, sagen selbst Politiker, die sich der Gemeinde zurechnen. „Bewahren Sie unsere Anonymität. Wir wollen uns nicht den Vorwurf einhandeln, wir wollten uns wichtig machen“, heißt es allenthalben.

Caroline und George haben andere Sorgen. „Werden wir vor Gericht eine Chance haben?“ fragt Caroline eindringlich. Und als sie wieder zum Telefon läuft, gibt George niedergeschlagen zu. „Manchmal kann ich alle diese Fragen einfach nicht mehr ertragen.“ ede

* Namen geändert

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