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Unheldenmütig, jammernswürdig

■ Dunkle Träume in Potsdam. Im Hans-Otto-Theater inszenierte Alexander Hawemann Heinrich von Kleists „Prinz von Homburg"

Am Ende riecht die Nacht nach Nelken und Levkojen. Und alles ist gut. Eben noch seiner Füssilierung gewärtig, sieht sich der Held begnadigt und bekränzt. Und fällt in Ohnmacht. Von Kanonenschüssen wieder zu Bewußtsein gebracht, fragt der Prinz von Homburg: „Ist es ein Traum?“

In Potsdam gibt es kein Erwachen im Guten. Kein preußisches Arkadien bricht mit Lorbeer und Goldglanz über Kleists Träumenden herein. Vergebens fordert Prinzessin Natalie: „Das Kriegsrecht soll herrschen, jedoch die lieblichen Gefühle auch.“ So wenig wie der Kurfürst von Preußen- Brandenburg glaubt Regisseur Alexander Hawemann an liebliche Gefühle, schon gar nicht auf dem Theater. Weshalb er, folgerichtig, den „Prinz von Homburg“ von Anfang an als Alptraum inszeniert hat.

„Unheldenmütig, jammernswürdig, undeutsch“, zischt es aus den fauligen, roten Seitenlogen, mit denen Sibylle Gädeke den leeren Zuschauerraum auf der Bühne eingefasst hat. Hier träumt Homburg (Robert Kuchenbuch) vom Meer, von Schiffen und Sonnenaufgängen, Sehnsuchtsbilder am Horizont, gerahmt von einem Doppel des Bühnenportals aus Stuck und Gold und Rot. Doch indem Hawemann den Abscheu des preußischen Hofes vor dem Schauspiel zum Ausgangspunkt nimmt, kämpft er auf verlassenen Schlachtfeldern. Als sei der in Ohnmacht fallende und um sein Leben jammernde Offizier noch ein Problem der Gegenwart.

Homburgs und Kleists Traum von einem besseren Leben, der Versöhnung von Staatsraison und Liebe, steckt im Widerspruch von höchster Sprachpoesie und krudem Inhalt des Stückes. Dem weicht der Regisseur beharrlich aus, indem er seine Schauspieler den Vers zerstampfen und zerschreien läßt. Zwischen Fehrbellin und Berlin herrscht ein einzig Taumeln, Stöhnen und Ächzen. Preußen ein dunkler Rausch. Das nervt, erzählt es doch nur Altbekanntes mit den abgebrauchten Mitteln eines vorgeblich vitalen, jungen Theaters. Tritt der Kurfürst (Stefan Eichberg) auf, ein Nachfahre des Göring aus Szabos Mephisto- Film, knallen die Offiziere mit den Stiefeln und spielen die Abteilung Stocksteif aus der Militärstaat-Klamotte. Noch die Liebe taugt in diesen Gefilden bloß zum Schmiermittel für erzwungenen Heldenmut. Ärger noch, Kleists liebende Frauen treiben bei Hawemann die zagend nach ihrer Mama greinenden Krieger zurück in die Schlacht. „Brandenburg“, ruft die Kurfürstin (Jutta Eckhardt) an der Rampe und schwingt die Fahne wie ein Rotgardist der Pekingoper. Und Homburgs Liebchen Natalie (Esther Linkenbach) erweckt ein ums andere Mal die in ihren Schützengräben zusammengebrochenen Mannen und zerrt sie zum Sturmangriff auf die Linien der Schweden. So hielte zuletzt nur die Liebe der Weiber die Kerle aufrecht und bei der Stange? Seltsam.

Im zweiten Teil beruhigt sich die Szene. Das tut ihr gut. Mit der Sprache dürfen sich auch die Widersprüche entfalten. Die Kriegstreiberin Natalie ringt jetzt um Homburgs Leben. Die Revolte der Offiziere, die den Kurfürst zum Einlenken zwingt, führt sie ganz unkleistisch an. Aber das wünschbare gute Ende entpuppt sich doch bloß als eine Versöhnung, die niemals eintritt. Zuletzt erwacht Homburg aus seinem Traum und findet in seiner Hand die Worte seines Dichters Kleist: „Nun, o Unsterblichkeit, bist du ganz mein!“ Ungläubig starrt er auf das Papier, zerreißt es und ißt es auf. Der Rest ist Schweigen. Balsam fürs Nervenkostüm nach all dem Getöse. Nikolaus Merck

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