■ Spätkauf: Sahrauis
The music of the western Sahara (Nubenegra / Intuition)
Lange vor Aufkommen der Marketing-Idee „Weltmusik“ sorgte Solidarität mit Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt für Interesse an Klängen aus entlegenen Regionen. Sechzehn Jahre ist es her, daß der Madrider Musiker Manuel Dominguez das Album „Polisario Vencera“ (Polisario wird siegen) veröffentlichte, und damit auf das Schicksal der von Marokko besetzten West-Sahara hinwies.
Kürzlich kehrte er zurück zu den Verdammten der nordafrikanischen Erde – die für sich die Bezeichnung „Söhne der Wolken“ bevorzugen – in die westalgerische Wüste. Ausgerüstet mit teurem Studio-Equipment, machte sich sein Team daran, im Sand der Sahara die Musik ihrer Bewohner aufzuzeichnen. Fast ein Vierteljahrhundert lebt die aus der Westsahara geflohene Bevölkerung, ursprünglich Nomaden berberischer und arabischer Herkunft, dort in Flüchtlingslagern und hofft, daß ein Referendum eines Tages zur Autonomie ihrer einstigen Heimat führt. In der Zwischenzeit haben sich die Sahrauis ihren Alltag im Ausnahmezustand eingerichtet, seit 1991 wird sogar ein regelmäßiges „Festival traditioneller Musik und Kultur“ organisiert.
Einen Eindruck vom Leben in den Lagern eröffnet Manuel Domingues' aufwendige Dokumentation, die aus einem 3-CD-Set und einem 124 Seiten starken Begleitbuch besteht. In tagebuchartigen Aufzeichnungen, die sich lesen wie ein Abenteuerroman, berichtet der Autor von seiner Expedition, referiert nüchtern die Fakten des fast vergessenen Grenzkonflikts und gerät angesichts des ungebrochenen Behauptungswillens der Sahrauis manchmal sehr ins Schwärmen. Verständlich allerdings, wenn man die Aufnahmen hört, die das ganze Spektrum sahrauischer Musik abbilden: traditionelle Gesänge sahrauischer Frauen, vorgetragen vom Ensemble Leyoad, Stücke im modernen Gewand, auf den tradierten Haul- Rhythmen aufbauend und mit elektrischer Gitarre verstärkt, arrangiert vom Gitarristen Nayim Alal, sowie, nicht zu vergessen, jene Loblieder auf die Polisario, die bereits 1982 erschienen.
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