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Lehrer wurde nicht „suspendiert“

■ Der Pädagoge, der eine Schülerin mißbrauchte, hat nur Hausverbot erhalten. Eine Suspendierung ist unwahrscheinlich. Versuchte die Behörde kritische Fragen abzuwiegeln?

Die Behörde reagierte ungewöhnlich schnell. Einen Tag nachdem ein 52jähriger Lehrer wegen sexuellen Mißbrauchs einer 15jährigen Schülerin vom Amtsgericht zu einer Geldstrafe von rund 25.000 Mark verurteilt worden war, erklärte Rainer Gausepohl, Sprecher von Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs (SPD), der Pädagoge sei vom Dienst suspendiert worden. Bei der Senatskommission für das Personalwesen (SKP) – jene Behörde, die allein dazu befugt ist, Beamte zu suspendieren, schüttelte man ungläubig den Kopf. Eine Suspendierung des Lehrers ist eher unwahrscheinlich. „Die SKP ist bislang nicht mit dem Fall befaßt worden“, bestätigte SKP-Juristin Angela Uhlig van Buren auf Nachfrage. „Wir haben also auch kein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen.“

Am Morgen nach der Verurteilung des Lehrers standen die Telefone in der Bildungsbehörde nicht mehr still. Warum wurde der Lehrer, der die Tat nach anfänglicher Weigerung gestanden hatte, nicht in die Erwachsenenbildung versetzt, wollten die Journalisten wissen. Nachdem die Vorwürfe vor anderthalb Jahren ruchbar geworden waren, versetzte die Bildungsbehörde den Pädagogen. Er unterrichtete fortan Kinder im Alter von elf bis 13 Jahren. Das Lehrerkollegium war informiert, die Eltern wußten nichts. Wie berichtet, hatte der Lehrer sich um das magersüchtige und selbstmordgefährdete Mädchen eigenen Angaben zufolge besonders kümmern wollen. Daraus sei eine Beziehung entstanden. Die Behörde habe sich bei der Versetzung von der Versorungslage leiten lassen, sagte Henning Eick, Referent für Lehrerzuweisung, noch am Morgen. Am Nachmittag beeilte sich Gausepohl den Journalisten zu versichern, der Lehrer sei suspendiert worden. Um Wirbel zu vermeiden?

Der Lehrer ist in der Bildungsbehörde wohlbekannt. Er war früher Personalratsvorsitzender und genießt bei seinen Kollegen und in der Bildungsbehörde noch heute einen ausgezeichneten Ruf. „Er hat sich immer sehr für seine Kollegen eingesetzt. Und war sehr kompetent. Wir sind aus allen Wolken gefallen, als wir von den Vorwürfen hörten. Wir konnten das erst gar nicht glauben“, sagt eine Kollegin. „Das war eine einmalige Entgleisung, die in der Konstellation der Beziehung begründet war“, verteidigte auch Henning Eick von der Bildungsbehörde den Pädagogen.

Daß der Lehrer aufgrund seines guten Rufes von der Behörde mit Samthandschuhen angefaßt worden sei, weist Rainer Gausepohl entschieden zurück. „Die Versetzung war damals eine angemessene Reaktion. Der Lehrer wurde immer von einem anderen Lehrer begleitet.“ Daß der Pädagoge nicht vom Dienst suspendiert worden ist, muß Gausepohl allerdings einräumen. Der Lehrer habe stattdessen nur „Hausverbot“. Er habe die Journalisten mit dieser Formulierung allerdings nicht täuschen wollen. Gausepohl: „Das war nur ein bißchen salopp formuliert.“ Die Bildungsbehörde habe gleich nach Bekanntwerden der Vorwürfe Vorermittlungen für ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Das Verfahren solle jetzt, nach dem Urteil, selbstverständlich weiter verfolgt werden. Daß der Lehrer tatsächlich vom Dienst suspendiert wird, ist erfahrungsgemäß eher unwahrscheinlich. Das Disziplinarverfahren bzw. die Vorermittlungen sind nicht eingeleitet worden, mit dem Ziel, den Lehrer aus dem Dienst zu entfernen. Er muß deshalb nur mit einer Gehaltskürzung rechnen. kes

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