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Das lästige Spülen fällt weg

Ein Pfandglassystem steht Ökoläden gut an, ist aber gerade gescheitert. Korrekten Honig und Marmelade gibt es jetzt in Gläsern mit dem verhaßten Grünen Punkt  ■ Von Holger Haum

Hamburg (taz) – „Naturkost fördert Mehrweg“. Mit dieser Botschaft traten 1995 vier Firmen und eine Einzelperson aus der Naturkostbranche gegen den Verpackungsberg in Ökoläden an. Gemeinsam gründeten sie die Arbeitsgemeinschaft für Abfallvermeidung (AFA) und richteten ein Glas-Mehrweg-System für Marmelade, Honig und sonstige Brotaufstriche ein. Eine sinnvolle Alternative zum umstrittenen Dualen System wollten sie sein. Eine, die anders als die Konkurrenz mit dem Grünen Punkt Müll wirklich vermeidet und nicht nur als Parkbank endlagert. Anfang November letzten Jahres teilte AFA-Geschäftsführer Hans-Josef Brzukalla mit, daß es mit der guten Idee Silvester endgültig vorbei sein werde. Alte Gläser würden noch zurückgenommen, doch neue müssen in Zukunft das Siegel des alten Gegners tragen: den Grünen Punkt.

Die schlechte Öko-Bilanz des AFA-Pfandsystems und fehlendes Geld, so Brzukalla, habe eine sinvolle Fortführung unmöglich gemacht. 7 Millionen Gläser von 30 Herstellern fielen 1998 unter das Pfandsystem der AFA, zurückgegeben wurde nur die Häfte. Zuwenig, um Kooperationen mit regionalen Spülstellen zu schließen. Nur zwei zentrale Reinigungsfirmen hatte die AFA unter Vertrag. Jedes Glas mußten unter Einsatz von viel Dieselkraftstoff bis nach Köln oder in das Allgäu gekarrt werden. „Jede kleinere Molkerei“, so der AFA-Leiter, „füllt die dreifache Menge an Flaschen ab.“

„Auch die Größe der Glasbehälter“, sagt Martia Odio vom Bundesverband Naturkost und Naturwaren, „war für die negative Öko-Bilanz verantwortlich.“ Vier Fünftel aller AFA-Gläser hatten Füllmengen unter 250 Millilitern. „Je kleiner die Füllgröße desto schwieriger ist es, ökologischen Kriterien gerecht zu werden“, bestätigt Abfallexpert Oels vom Bundesumweltamt. Grund ist das Verhältnis Verpackungsgewicht zu Füllmenge. Zwei leere Honiggläser à 500 Gramm sind schwerer als das Kilo-Glas, obwohl in beide gleich viel reinpaßt. Ob ein Einwegglas die bessere Alternative sei, kann Oels allerdings nicht sagen. Er rät zu Kunststoffverpackungen, die noch wesentlich leichter als das Einwegglas seien.

Mit der Aufgabe des Pfandsystems mußte die AFA auch ihren wirtschaftlichen Bankrott eingestehen. Zuwenig Gläser, zuwenig Geld und zu hohe Transportkosten standen schwarzen Zahlen im Wege. Gleich dem Dualen System finanzierte sich die AFA aus den Beiträgen der beteiligten Hersteller. Daß bei der Berechnung zukünftiger Beitragszahlungen eher Idealisten als Ökonomen am Werk waren, verschweigt Brzukalla nicht: „Von Anfang an wußten wir, daß die AFA sich nur dauerhaft etablieren kann, wenn Lebensmittelproduzenten außerhalb des Naturkostbereichs mitmachen.“

Doch nicht mal alle Produzenten im Naturkostbereich mochten sich dem AFA-System anschließen, einige sprangen zwischendurch sogar ab. Ein Honighersteller ärgerte sich über Probleme in der Logistik und baute ein eigenes Recyclingsystem auf.

Keine Angst vor Kundenschwund

„Aber auch wenn alle mitgemacht hätten, wären wir nie auf wirklich bedeutende Mengen gekommen“, sagt Brzukalla, „wir wollten eher Signalwirkungen setzen.“ Mit der ist es allerdings, zumindest in den Augen des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), vorerst vorbei. „Wie soll ich denn die Coca-Cola-Chefs von Pfandflaschen überzeigen“, klagt BUND- Sprecher Walter Jungbauer, „wenn die nur müde lächelnd auf Recyclingstopp in Ökoläden aufmerksam machen?“

Weitere Verluste machte die AFA bei der Überführung der zurückgegebenen Gläser zum Spülen. In Pappkartons klirrten und schepperten die leeren Behältnisse für Gemüsepasten und Vanillepulver quer durch die Republik, wobei mehr als das eine oder andere Glaserl zu Bruch ging. Die Rücklaufquote schrumpfte weiter, die Ausgaben für neue Gläser stiegen.

Ein Mehrweg-Transport-Verpackungssystem (MTV), ein Plastikkasten ähnlich den Kästen für Pfandflaschen, gab es nicht. „Zu teuer in der Entwicklung“, kommentiert die AFA. Angst vor einem drohenden Kundenschwund durch Wegfall des Aushängeschilds Recycling sieht die Branche nicht. Martia Odia ist überzeugt, daß keine Umsatzeinbußen drohen: „Die Händler teilen uns mit, daß es den Kunden entweder egal ist, sie Verständnis haben oder sich freuen, weil das lästige Spülen wegfällt.“

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