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Gemäßigter Keynesianer wird Wirtschaftsweiser

■ DGB schlägt Jürgen Kromphardt von der TU Berlin als Nachfolger von Wolfgang Franz vor

Berlin (taz) – Der neue fünfte Wirtschaftsweise ist gefunden. Das bestätigte das Bundesfinanzministerium am Montag. Jürgen Kromphardt, Makroökonom an der Technischen Universität Berlin, soll dem Arbeitsmarktforscher Wolfgang Franz nachfolgen, dessen Amtsperiode im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Situation zum 1. März ausläuft. Noch in dieser Woche will das Kabinett den Rat anhören und den 65jährigen berufen. Die Ernennung erfolgt durch den Bundespräsidenten.

Kromphardt wird auf Wunsch der Gewerkschaften in den Sachverständigenrat einziehen – wie auch die Arbeitgeberverbände hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ein Vorschlagsrecht für einen der fünf Weisen, das allerdings nicht einklagbar ist. Damit soll gewährleistet werden, daß der Sachverständigenrat, der die Bundesregierung in allen Belangen der Wirtschaftspolitik wissenschaftlich berät, sich nicht einseitig an der gerade vorherrschenden wirtschaftswissenschaftlichen Theorie ausrichtet und sozial- und arbeitsmarktpolitische Aspekte mitberücksichtigt. Die Weisen werden seit der Installation des Rates im Jahre 1963 im Wechsel auf fünf Jahre berufen, die Amtszeit ist verlängerbar. Allerdings hat in den letzten fünfzehn Jahren keiner der Experten, die auf Gewerkschaftsticket fuhren, länger als fünf Jahre agiert.

Auch Franz, der 1994 ebenfalls auf Vorschlag des DGB in den Rat gekommen war, hatte sich zuletzt dessen Ärger zugezogen, weil er im letzten Jahresgutachten des Sachverständigenrates kein Minderheitenvotum abgegeben hatte, sondern sich der angebotsorientierten Linie der anderen Weisen anschloß. „Es gibt keine Erbhöfe“, sagte Georg Wehner, Leitung der Abteilung Wirtschaftspolitik beim DGB, einen direkten Zusammenhang mit der Nicht-mehr-Nominierung des Mannheimers wollte er aber nicht bestätigen. Der neue Weise Kromphardt gilt als gemäßigter Keynesianer und steht damit dem DGB eindeutig näher als Franz. Böswilligen Zungen zufolge hatte sich der die Sympathie der Gewerkschaften regelrecht erschlichen, indem er vor seiner Berufung „besondere Aufgeschlossenheit gegenüber gewerkschaftlichen Fragen“ gezeigt hatte. Tatsächlich sei es ihm vor allem darum gegangen, dem Zentrum für Europäische Wirtschaftspolitik, dessen Leiter er ist, einen Platz unter den führenden sechs Wirtschaftsinstituten zu verschaffen. Sein Ausscheiden bedeute „rein wissenschaftlich eine Schwächung des Sachverständigenrates“, beklagte nichtsdestotrotz das Handelsblatt, und die FAZ erklärte, es sei „nicht ganz transparent“ warum jetzt Kromphardt den Zuschlag erhalte.

Letzteres finden allerdings auch linksgerichtete Gewerkschafter, die lieber einen ausgewiesenen Streiter wie den Bremer Rudolf Hickel oder den Berliner Jan Priewe aus der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik im Rat gesehen hätten.

„Die Chancen waren so gut wie nie“, sagte ein ungenannt bleiben wollenden Metallgewerkschafter. Zwar werden vermutlich auch die gemäßigt nachfrageorientierten Rezepte Kromphardts im Sachverständigenrat bereits für Aufregung sorgen, eine Gewähr dafür, daß der Berliner eine entsprechende Rolle bei den nächsten Gutachten übernimmt, ist das jedoch nicht. Beate Willms

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