piwik no script img

Ausstieg. Aber wo?

40 weitere Jahre Autoparken im Ehrenhof des Hamburger Rathauses. Oder gelingt der SPD ein Sonderweg? CDU bietet Konsensgespräche an  ■ Von Heike Haarhoff

Die Stimmung bei der SPD-Fraktionssitzung am späten Montag abend sei, so wird berichtet, „gedämpft“ gewesen. Fraktionschef Holger Christier hatte soeben den erklärten Ausstiegswillen des rot-grünen Hamburger Senats aus der „derzeitigen Parkplatzpolitik im Rathausinnenhof“ referiert. „Keiner mochte sich anschließend mehr als Autofahrer outen“, gesteht ein Abgeordneter.

Selbst Sozialdemokraten, die sonst gern mal auf die Tube drücken, hätten – das Gegenteil beteuernd – betreten zu Boden geblickt. Denn nie war der Ausstieg aus der umstrittenen Stellplatz-Nutzung im Innenhof des Rathauses, dem sogenannten Ehrenhof, greifbarer denn heute. Die 58 Parkplätze, auf denen der Bürgermeister, die elf SenatorInnen sowie die 121 Abgeordneten bislang ihre Fahrzeuge abstellen dürfen, derweil sie im Rathaus für das Wohl des Volkes streiten, sollen nach der architektonischen Verschönerung des Ehrenhofs aus selbigem verschwinden. Das Ende einer Ära droht.

Doch die Umsetzung dieses Szenarios, das zuvor in zähen Konsensgesprächen ermittelt wurde, „dürfte äußerst schwierig werden“, seufzt der SPD-Abgeordnete Thomas Böwer. Die quälende Frage ist: wohin anschließend mit den Autos? Alle vermeintlichen Lösungen haben einen Haken. Parkhäuser in fußläufiger Rathaus-Nähe, die schon bereitwillig Aufnahmebereitschaft signalisiert haben, schließen bereits um 22 Uhr. „Das ist die Zeit, wo Abgeordnete nach der Bürgerschaft Bier trinken gehen“, schimpft Böwer.

Einige wenige Autos könnten wohl am Alten Wall und an der Großen Johannisstraße abgestellt werden. Doch hier zickt das Landesverkehrsamt. Die Stellplätze, so heißt es, könnten nicht generell für „die Bürgerschaft“ oder „die Senatoren“ reserviert und folglich rotierend genutzt werden, sondern jeweils nur für ein Nummernschild. Nach welchen Kriterien aber soll die Platzvergabe erfolgen? Nach Wahlergebnis, Amt und Bedeutung? Oder lieber nach PS-Zahl?

Aufgebrachte Politiker um den CDU-Abgeordneten Jürgen Klimke, der „nicht auf das Auto verzichten kann“, weil er die „täglich 100 schlappen Kilometer“ zwischen Wohnort, Arbeitsstelle und Wahlkreis „unmöglich“ mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen könne, haben bereits eine „Innenhofkoalition der potentiell Geschädigten“ gegründet. Von Demo oder Sitzstreik ist zwar noch keine Rede. Im Zweifel aber schließt Klimke eine „fraktionsübergreifende Abstimmung“ in der Bürgerschaft nicht aus, derweil die SPD, allen voran ihre Senatoren, in der Parkplatzdebatte keine „Gewissensfrage“ zu erkennen vermögen. Doch die haben ohnehin gut lachen: „Der Senator steigt aus, der Wagen fährt weiter“, scherzt man in der Pressestelle des grünen Umweltsenators, der seinerseits „zuversichtlich“ ist, „das Rathaus auch ohne Parkplätze weiterhin zu erreichen“.

Manche Politiker fürchten dagegen, daß es künftig vermehrt zu traurigen Beispielen kommen könnte, mit denen CDUler Karl-Heinz Ehlers einst voranging: In seiner Not suchte der Sünder regelwidriges Parken durch Plazieren des Behindertenausweises seines Vaters hinter der Windschutzscheibe zu kaschieren.

Damit es soweit nicht kommt, würde der SPD-Abgeordnete Wolfgang Franz aus Bergedorf über seinen eigenen Schatten springen und Fahrgemeinschaften von Bergedorf nach Hamburg-City auch für Nicht-Sozialdemokraten anbieten. „Ja“, gestand er gestern auf Nachfrage, „selbstverständlich“ werde er „auch den Abgeordneten Jobs mitnehmen“. Doch der grüne Energiepolitiker fährt, wie die meisten seiner sparsamen Parteikollegen, lieber mit Abgeordneten-Freifahrkarte für lau in Bus und Bahn.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen