piwik no script img

Jämmerliches Plädoyer für Pinochet

Die Anhörungen im Fall des chilenischen Ex-Diktators in London gehen zu Ende. Der Gesandte Chiles zur Verteidigung des Generals hinterließ einen schlechten Eindruck  ■ Von Bernd Pickert

Berlin (taz) – Schlechter Wochenbeginn für Chiles Ex-Diktator Augusto Pinochet: Ausgerechnet Rechtsanwalt Lawrence Collins, der Gesandte der chilenischen Regierung zur Verteidigung Pinochets, lieferte bei der Anhörung durch die britischen Lordrichter eine jämmerliche Vorstellung.

Lord Browne-Willkinson etwa fragte: „Wenn die Anti-Folter- Konvention von 1988 die Folter als einen im Auftrag des Staates begangenen Akt definiert, Sie aber gerade dem Ex-Staatschef Immunität zusprechen wollen, wann könnte denn dann die Folter international geahndet werden? Oder was soll sonst die Konvention?“ Darauf antwortete Collins nur: „Man müßte sich das im Kontext anschauen.“

Lord Hutton fragte weiter: „Wenn der chilenische Staat die Folter ächtet, warum sind dann diese Taten nie in Chile verurteilt worden?“ Antwort Collins: „Ich habe die Anweisung meiner Mandanten, mich über diese Themen nicht auszulassen.“

Collins' Anhörung machte erneut klar, in welchem Widerspruch sich die Verteidigungslinie der chilenischen Regierung bewegt. Sie fordert einerseits grundsätzliche Immunität für Pinochet als ehemaliger Staatschef. Gleichzeitig weiß sie aber mit dem Vorhalt nicht umzugehen, daß es solch eine Immunität für Verbrechen, die durch internationale Konventionen als solche definiert werden, wie eben Folter, nicht geben kann. Denn dann bräuchte man sie gar nicht erst unter Strafe zu stellen. Deshalb behauptet die chilenische Regierung andererseits, daß sie keinesfalls Pinochet als Person verteidige, sondern lediglich die staatliche Souveränität Chiles. Pinochet könne durchaus im eigenen Land vor Gericht gestellt werden, genieße dort also keine Immunität.

Diesen Beteuerungen schenkt nicht nur die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wenig Glauben. Sie hat die Lords mit einem weiteren Gutachten darüber versorgt, wie die chilenische Rechtslage jede Verurteilung Pinochets ausschließt.

Niemand ist bisher in Chile für die Verbrechen der Diktatur zur Rechenschaft gezogen worden, mit Ausnahme des ehemaligen Geheimdienstchefs Manuel Contreras, der 1995 wegen der Ermordung des ehemaligen Allende-Außenministers Orlando Letelier verurteilt wurde. Letelier war 1976 in Washington ermordet worden – und da dies den USA mißfiel, obwohl sie die Diktatur nach Kräften unterstützten, war der Fall aus den Amnestieregelungen ausgenommen worden.

Weil das aber eben eine Ausnahme war und auch die Lordrichter merken, daß es der chilenischen Regierung nur darauf ankommt, Pinochet irgendwie nach Hause zu bekommen, fragte denn Lord Hutton am Montag den Regierungsgesandten weiter: „Wenn die chilenische Verfassung die Folter schon seit 1925 ächtet, warum sind diese Taten dann nicht verurteilt worden, als sie begangen wurden?“ „Das ist eine innere Angelegenheit des Landes“, brummelte Collins.

Die zwiespältige Position Collins' vor den Lordrichtern reflektiert vor allem den inneren Widerspruch der chilenischen Sozialisten. Als Koalitionspartner der Christdemokraten des Präsidenten Eduardo Frei stellen sie den Außenminister, Miguel Insulza. Der war zu Zeiten der Diktatur ins Exil gegangen und sah sich nun als Regierungsmitglied genötigt, auf internationalem Parkett für die Freiheit Pinochets zu streiten. Das tat er nach Meinung der sozialistischen Parteibasis so überzeugend, daß sie ihn aus der Partei werfen wollen. Ein Grundcredo der sozialistischen Parteiidentität ist es, die Verbrechen der Diktatur in Chile gesühnt sehen zu wollen.

Die Anhörung in London, bei der seit der vergangenen Woche die Verteidigung das Wort hat, soll morgen oder übermorgen zu Ende gehen. Dann müssen sich die sieben Lordrichter beraten, ob sie, genau wie das erste Lordrichtergremium, die Festnahme Pinochets in London am 16. Oktober vergangenen Jahres für rechtmäßig erklären oder aber ihm als ehemaligem Staatschef Immunität zusprechen wollen. Sollten sie sich für letzteres entscheiden, käme Pinochet sofort frei und könnte umgehend nach Chile zurückkehren. Gestehen ihm die Lordrichter keine Immunität zu, geht das Verfahren zur Auslieferung nach Spanien weiter.

Ein „Komitee gegen die Straffreiheit“ hat am Montag eine von 30.000 Menschen unterschriebene Petition zugunsten der Auslieferung Pinochets übergeben. Der Labour-Abgeordnete Jeremy Corbyn, der die Liste überreichte, sagte, insgesamt seien für den Fortgang des Verfahrens über 850.000 Unterschriften gesammelt worden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen