Das Lächeln der Mona Lewinsky

Die USA haben einen neuen Superstar: Monica Lewinsky. Am Montag mußte sie vor ein paar Senatoren aussagen – was sie gesagt hat, glaubt jeder zu wissen. Unklar ist, ob das nun Clinton schadet oder nützt  ■ Aus Washington Peter Tautfest

Krakelüren nennt man die kleinen Risse und Sprünge, die im Laufe von Jahrhunderten auf der Farboberfläche von Ölgemälden entstehen. Ihre Beschaffenheit kann Auskunft über die Echtheit des Bildes geben. An ihnen gemessen ist jener Leonardo Da Vinci ziemlich echt, der am Montag auf dem Titelblatt des New Yorker erschien: Monica Lewinsky als Mona Lisa.

Monicas unergründliches Lächeln birgt das Schicksal des Präsidenten und des ganzen Landes. Eigentlich weiß niemand, was sie am Montag gesagt hat, denn der kleine Kreis von Anwesenden war zur Verschwiegenheit verpflichtet, und doch weiß die ganze Welt schon, was sich hinter den Türen der Präsidenten-Suite – wie passend für das Ereignis – des Mayflower Hotels abgespielt hat. Zu Mittag zum Beispiel gab es Sandwiches mit Putenbrust und Roast Beef – also ziemlichen Fraß, denn das ist das Standard-Lunchpaket für Pressebriefings und Veranstaltungen in Washington. Auch die Information, daß die Suite 5.000 Dollar die Nacht kostet, ist noch erhältlich, ohne daß man Insiderwissen hat. Der Senat zahlt das.

Man weiß aber auch, was sich im Arbeitszimmer der Suite abgespielt hat. Lewinskys Anwälte haben wiederholt Einspruch erhoben, worauf die beiden Senatoren, die der Vernehmung vorsaßen, über die Zulässigkeit der Frage entscheiden mußten; daß Lewinsky einen guten Eindruck gemacht hat, kann man schreiben, ohne irgendwas zu wissen, denn Lewinsky hat zur Zeit gute Presse.

Irgend jemand will erfahren haben, daß ihre Antworten so klar und doch so knapp ausfielen, daß die Zeugin der Anklage Kurse darin erteilen könnte, wie man vor Gericht auf peinliche Fragen antwortet. Hätte Clinton doch nur bei ihr vorher Lektionen genommen.

Sie habe nichts Neues gesagt, ist die einhellige Meinung – und das kann je nach Standpunkt gut oder schlecht für Bill Clinton sein. Sie bestätigte alles, was zur Staatsanklage überhaupt geführt hat, daß sie also mit dem Präsidenten rumgemacht hat – und er mit ihr, was vor der Öffentlichkeit und vor den Anwälten verborgen bleiben sollte, die Clintons Sexualleben im Auftrag der Klägerin Paula Jones erforschten. Ja, es sei nicht ausgeschlossen, daß Clintons Sekretärin Betty Currie die Geschenke Bill Clintons auch anderthalb Stunden später als ursprünglich zugegeben abgeholt hat – eine wichtige Frage, weil sich am Zeitpunkt der Rückgabe der Geschenke festmachen läßt, ob Clinton die Unterschlagung von Beweismitteln angeordnet hat oder nicht.

Aber Monica Lewinsky hat auch nichts Neues gesagt, was Clinton weiter in die Bredouille bringen könnte. Bill Clintons Anwälte, die erstmals die Möglichkeit gehabt hätten, sie ins Kreuzverhör zu nehmen, verzichteten auf jede Frage. Sie lasen nur eine einzeilige Erklärung vor, in der sich der Präsident für alles entschuldigt, was sie durch ihn hat durchmachen müssen.

Am Montag bekamen nur sechs Senatoren den neuen Superstar der USA zu sehen, ab gestern aber können sie sich das Video einzeln oder in Grüppchen ansehen. Über die Veröffentlichung und die Vorführung vor dem ganzen Senat muß der Senat gesondert entscheiden. Doch bei der Klatschsucht US-amerikanischer Politiker darf davon ausgegangen werden, daß bald jeder ganz genau weiß, was Monica Lewinsky gesagt hat – als wenn das noch jemanden interessierte.

Sein Vertrauen in den Prozeß scheint auch der Ankläger Starr verloren zu haben. Er habe entschieden, daß die Verfassung es ihm erlaube, Clinton noch während seiner Amtszeit vor ein ordentliches Gericht – nicht diesen Gesangsverein des Senats – zu bringen. Die New York Times veröffentlichte das am Sonntag – ein Knaller, denn Starr hat für sich zu behalten, was sein Amt plant, und nicht dem Senat dazwischenzufunken. Jetzt wollen Clintons Anwälte ihn wegen Verletzung seiner Schweigepflicht verklagen.