piwik no script img

■ SurfbrettDer Berliner Landtag: Standpunkt mit Maus

Das Gebäude des ehemaligen Preußischen Landtages ist 100 Jahre alt geworden. Das Berliner Abgeordnetenhaus feiert das Jubiläum auch im Web unter www .parlament-berlin.de/.Die Fehlermeldungen weisen auf einen Lotus-Domino-Server hin, bei näherer Nachfrage meldet der Browser, das ganze Werk sei auf einer Sparc-Maschine von Sun erzeugt worden. Ziemlich fein und professionell, nur wissen die Abgeordneten noch nicht recht, was sie damit anfangen sollen. Die CDU hat den Webmastern lediglich die Kurzbiographien der Fraktionsmitglieder zukommen lassen, politische Meinungen, umstrittene gar, mochten sie dem Web nicht anvertrauen. Auch die Grünen sehen zu, daß man möglichst schnell zur Bundespartei weitergeleitet wird, die offenbar als eher zuständig für derart exotische Dinge wie Computer und Datennetze betrachtet wird. Sie passen ja auch auch wirklich schlecht zu den Sonnenblümchen und dem Igelchen, die den Berliner Grünen aus ihren Tagen der Alternativen Liste als anklickbare Logos geblieben sind. Die SPD dagegen klotzt hemmungslos. Satte 575 Kilobyte ist es ihr wert, daß sich aus einem roten Farbklecks samt Parteinamen allmählich die Fassade des Preußischen Landtags herausschält. Ist es endlich vollbracht, heißt uns die SPD in ergreifender Schlichtheit willkommen. Nur wo? Die ganze Zeit schon torkeln in der linken oberen Ecke dieselben drei Buchstaben dreidimensional in alle Richtungen. Schwer zu sagen, ob ein Machtrausch oder der schiere Opportunismus die Ursache des Taumels ist. Es handelt sich um eine jener Steinzeitanimationen, die ständig zwischen 20 und 40 Prozent der Prozessorleistung fressen, selbst wenn die Leitung gekappt ist. Animierte Symbole sind Glückssache, auch bei der PDS, die als einzige der Berliner Fraktionen ernsthaft darum bemüht ist, im Web ihre politischen Ansichten darzulegen. Es gibt fast nichts, was die Traditionssozialisten nicht auch hier kommentierten, außer sich selbst, doch just in diesem Punkt haben ihnen die Webdesigner einen freudianischen Streich gespielt. Für die Rubrik „Standpunkte“ dachten sie sich als Logo einen Kompaß aus, und weil ihnen auch Java-Scripts geläufig sind, haben sie die – rote – Nadel beweglich gemacht. Sobald der Mauspfeil naht, springt sie neckisch nach Nordosten. Ohne Maus dagegen richtet sich die PDS unbeirrt nach Norden – mit einer minimalen, dekorativen Abweichung gen Westen. Sogar das Mikrofon nebenan, das die „Pressemitteilungen“ anzeigt, ist darüber mauswendisch geworden. In Ruhelage zeigt es nach rechts, erst wenn der Mauspfeil ankommt, schwenkt es nach links aus. Es muß an der Wende liegen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen