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Sozialer Unfriede und Angst

■ Gericht bestätigt Baustopp des Emssperrwerkes / Region verunsichert / Schlamperei der Planer wird auf dem Rücken kleiner Firmen ausgetragen (vergleiche auch Seite 8)

Für Bernhard Meyer ist alles klar: „Die Gegner des Emssperrwerkes sind keine Naturschützer. Arbeitsplätze sind ihnen egal. Da wollen sich einzelne in den Naturschutzverbänden persönlich profilieren. Und das liest man in Berlin und Hamburg gerne.“ Spontan hatte Meyer gestern, nach der Bestätigung des Baustopps des Emssperrwerkes eine Belegschaftsversammlung in der großen Halle der Werft einberufen. Die Stimmung der Arbeiter war gedrückt. Meyer, Chef der Meyer-Werft in Papenburg, und sein Betriebsratvorsitzender heizten an. Eigentlich fehlte nur noch, daß Ausländer, Juden und Homosexuelle für den Baustopp verantwortlich gemacht worden wären. Es blieb bei „von außen angereisten, sogenannten Naturschützern“ (Meyer).

Meyer müßte es besser wissen. Immerhin hatten der Papenburger Meyerfreund und CDU-Vorstand Rudolf Seiters sowie der ehemalige Ministerpräsident von Niedersachsen, Gerhard Schröder, den Deal mit dem Sperrwerk punktum entschieden. Seiters besorgte Geld aus Bonn, Schröder deckelte seine Beamten. Gegen ihren Willen und gegen ihre jahrelange Arbeit am Generalplan Küstenschutz drückte Schröder politisch das Emssperrwerk in Niedersachsen durch. Zum Ärger seiner unteren Naturschutzbehörden. Auf nichts weiter beriefen sich jetzt vor Gericht die Naturschutzverbände. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat sich dieser Argumentation angeschlossen und der Bezirksregierung Weser-Ems bei der Genehmigung des Emssperrwerkes schlicht und ergreifend Schlamperei vorgeworfen. Vorläufig geht nichts mehr in Sachen Emssperrwerk.

Die Männer an der Baustelle des Sperrwerkes in Gandersum frieren derweil in ihren klobigen Arbeitsanzügen. „Die Männer dürfen keinen Handschlag tun. Die Maschinen stehen nutzlos rum und kosten jeden Tag Geld,“ meint ein Sprecher der Baufirmen. Gibt es Regreßansprüche an die Bezirksregierung oder das Land Niedersachsen? „Nein“, sagt Günther Kolbe, Sprecher der Meyer-Werft. „Nein“, sagt Herma Heyken, Sprecherin der Bezirksregierung. Können Sie sich vorstellen, daß kleinere Baufirmen durch den Baustopp in wirtschaftliche Schwiergkeiten kommen? „Das kann schon sein“, so Heyken, „aber jeder, der sich auf das Sperrprojekt eingelassen hat, wußte, daß es schwierig werden könnte.“

Da ist die kleine Werft in Oldersum, fünf Kilometer entfernt von der Sperrwerks-baustelle. Sie stand schon vor zwei Jahren vor dem Konkurs. Ein Komsortium hat den Betrieb aufgefangen. Auch die Meyer-Werft gehört zu der Auffanggesell-schaft. Die kleine Werft sollte Stahlbauten für das Sperrwerk errichten. Jetzt ist Stopp und die Existenz wieder gefährdet.

Elfriede Orloog ist eine der „auswärtigen Naturschützerinnen“. Sie wohnt direkt an der Ems. 15 Autominuten von der Meyer-Werft entfernt. Sie ist Vorsitzende der „Dyklopers“, der engagierten Gruppe gegen die Zerstörung der Ems. Nicht-Plattdeutschsprechende haben in der Initiative wenig Chancen, zu kapieren, worum es in den heißen Diskussionen überhaupt geht. Familie Orloog hat mittlerweile ihre Viehzucht aufgeben müssen. Der Schlick, der durch die dauernden Emsvertiefungen losgerissen wurde, hat die Tränken der Weiden versandet.

Claudia ist Lehrerin in Leer. Sie wohnt in Weener, ebenfalls fünfzehn Autominuten von der Meyer-Werft entfernt. Sie war ökologischin Weener Angst bekam, meinen Kindern könnte etwas passieren.“ Aus Angst verließ Claudia die Anti-Sperrwerk-Intiative.

Sowas kann Peter Fresemann nicht verstehen. Er ist Bürgermeister in Weener. „Politischer Bürgermeister“, fügt er hinzu. Und er findet den Baustopp „entsetzlich“. Fresemann läßt eine amtliche Umlaufmappe im Rathaus kursieren, in der jeder für das Sperrwerk unterschreiben soll. „Prosperrwerk“ heißt die Initiative, der ehemalige Meyer-Werft Arbeiter, alle Politgrößen der Region und Bürgermeister Fresemann angehören. Im einzigen Krankenhaus am Ort werden die Listen gleich mit ausgelegt. „Der Bürgermeister kann uns ja alle kontrollieren“, stellt eine Stadtangestellte verblüfft fest. „Meyer ist Weeners größter Arbeitgeber. Wir müssen was für ihn tun“, so Bürgermeister Fresemann.

Walter Bünker, mehr auf der Ems als zu Hause, ist kein Jubelperser. Der alte Mann von der Ems gibt sich gelassen.Wenn er von seinem Fluß spricht, begeistert er. Im Grunde ist er ein Stiller. „Da hat doch keiner dran geglaubt, daß das Gericht gegen die Bonzen urteilt. Ich sag es, wie es ist: ein Wunder.“ Niemand der Naturschützer hatte an den Erfolg ihres Einspruchs gegen das politisch gewollte Emsspserrwerk geglaubt. „Der Witz ist“, philosophiert Bünker, „die ganze Zeit, die die Behörden gebraucht haben, das Sperrwerk anzuordnen, haben wir genutzt, um all ihre Argumente zu widerlegen.“

Sofort nach der behördlichen Anordnung des Baubeginns haben die Leute am Deich mit Hilfe des kleinsten Naturschutzverbandes, des Landesverbandes des Bundes für Umweltschutz (BUND), Einspruch vor Gericht eingelegt. Und bis auf weiteres gewonnen. Morddrohungen hat Bünker auch erhalten. „Weißt du, wenn das nur um mich ginge, dann würd ich sagen, kumm röver as'n Kerl. Aber für meine Familie sind die Drohungen nicht gut. So ist das nämlich.“

Thomas Schumacher

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