Her mit Johnny Marrs Kopf und Gitarre!

■ Venus Vega$ aus Köln rächen den Rock und pressen schicke Elektronik in dreckigen Trash

Schweinerock ist auch nicht mehr das, was er mal war. Wenigstens auf die Jungs konnte man sich früher doch noch verlassen. Durchgebrannte Gitarrenverstärker, mürbe geprügelte Schlagzeugfelle und die Ansätze von Bierbäuchen legten beredtes Zeugnis ab vom Schaffensdrang verlebter Mittzwanziger, denen die eigene Pubertät zu sehr ans Herz gewachsen war. Bis vor kurzem konnte man diesen Teil der Menschheit getrost unter ewig gestrig abbuchen und nie mehr zur Kenntnis nehmen, aber selbst hier wurden nun die Zeichen der Zeit erkannt.

So zum Beispiel in Köln bei Venus Vega$. Die hießen früher Dishwater bzw. Dish H2O und waren zu fünft. Nun hat man einerseits zwar auf die klassische Rock- besetzung aus Gitarre, Baß und Schlagzeug abgespeckt, die andererseits aber dafür erweitert mit Synthesizern aus der Steinzeit, verzerrten Stimmen, Schnipseln aus dem Fernsehen und anderem Klimbim, der gemeinhin als experimentell durchgeht. Die Elektronik fügt sich dabei in den Trash- Rock ein, als hätte sie seit ihrer Erfindung niemals etwas anderes vorgehabt.

Unweigerlich erinnert einen das an Suicide, weil die ja auch einen Rockansatz in die Elektronik übersetzten, ohne ihre viel zu engen Lederhosen abzulegen. Die gewannen dabei aber ein Maß an Eleganz, das sie mit den Gitarren, an denen sich Alan Vega wahrscheinlich immer am liebsten festgehalten hätte, wohl niemals erreicht hätten.

So was allerdings geht Venus Vega$ meistens ab. Die pressen die Moderne in einen Trash-Rock, der selbst ja schon nur eine falsch verstandene Vorstellung aus den 80ern über die 60er war. Dann wiederum sind sie auch nicht so tanzbar und schweinös wie die elektrifizierten Rockmonster Prodigy. Das hier ist ganz traditionell rauhe Schale und weicher Keks, ääh, Kern.

Verglichen werden Venus Vega$ gerne mit Devo, aber vielleicht sind sie ja einfach nur die Rache des Rockers an den modernen Zeiten, so tot wie Rock sein soll feiert es sich gleich noch mal unbeschwerter. Da covern wir Gary Numan und Wall of Voodoo, nennen unsere Platte „Bring Me The Head of Johnny Marr“, behaupten es sei der Soundtrack zu einem nicht existenten Film, droppen dadurch Namen wie The Smiths und Sam Peckinpah, als hätte das eine denn auch nur möglicherweise irgendwas mit dem anderen zu tun, aber egal... Wo war ich gerade?

Man muß das nicht billigen. Man kann es sich aber anhören. Wer sich daran gewöhnt hat, daß der Purismus einen schweren Stand hat, und bereit ist zu akzeptieren, daß Genres nicht mehr abzugrenzen sind und die dreistesten Kombinationen immer kürzere Gewöhnungszeiten bekommen, für den adaptieren Venus Vega$ halbwegs moderne Mittel, nur um selig und verträumt zurück zu schauen.

Das hört sich dann zwar nicht zeitgemäß an, ist aber vielleicht gerade deshalb ganz interessant. Es empfiehlt sich auf jeden Fall, mal wieder die Sonic-Youth-Platten abzustauben, bevor sie tatsächlich wieder modern werden.

Thomas Winkler

Heute ab 23 Uhr, Galerie berlintokyo, Rosenthaler Straße 38, Mitte