: Greenpeace feuert Chef
Der Rauswurf von W. Homolka leitet bei der Umweltorganisation ihre eigene Demokratisierung ein ■ Von Matthias Urbach
Berlin (taz) – Seine Arbeit gehe jetzt „erst richtig los“, hatte Walter Homolka noch am Dienstag gesagt, als er nach Gerüchten um eine „Revolte“ gegen ihn, den Chef von Greenpeace, gefragt wurde. Mehr kann man sich nicht irren. Denn am Freitag setzte ihn der Aufsichtsrat ab.
Damit nicht genug: Der Aufsichtsrat gab gleichzeitig bekannt, daß er keinen Nachfolger bestimmen werde. Statt dessen werde die Geschäftsführung von drei auf eine Person reduziert. „Das System einer dreiköpfigen Geschäftsführung hat sich in der Praxis nicht bewährt“, heißt es lapidar in der Aufsichtsratserklärung.
Dahinter steckt eine kleine Sensation: Denn gleichzeitig soll es eine Demokratisierung der Deutschland-Filiale von Greenpeace geben. Kampaigner, also diejenigen, die die Greenpeace- Aktionen inhaltlich vorbereiten und vor Ort, ob im Schlauchboot oder in der Pressekonferenz, auftreten, sollen wieder mehr Macht bekommen. „Greenpeace hat viele Gesichter“, heißt die neue, alte Parole, die der Aufsichtsrat in einer Erklärung gestern ausgab. Wie allerdings genau die neue Struktur aussehen soll, ist völlig offen.
Neue, alte Geschäftsführerin wird nun die 37jährige Brigitte Behrens, bislang eine der beiden Stellvertreterinnen Homolkas – und die letzte, die nach dem Streit um Homolka übriggeblieben ist. Doch sie soll und kann alleine nicht so viel entscheiden und repräsentieren, wie es Homolka oder Tilo Bode mit zwei Stellvertreterinnen im Rücken konnten.
Am Freitag früh wußten auch die Mitarbeiter im Greenpeace- Büro Deutschland in Hamburg nicht viel mehr als Homolka. Viele hatten bis zum Schluß nicht mit der Absetzung gerechnet. Es war nicht mal sicher, ob der Aufsichtsrat zum Fall Homolka überhaupt einen Entscheidung fällen würde. Dann das Ergebnis der Beratungen: „Unüberbrückbare Unterschiede“ hatte man nun zwischen sich und dem Mann ausgemacht, den man vor zehn Monaten von außen geholt hatte, um neue Impulse ins deutsche Greenpeace- Büro zu bringen.
Ende September war der ehrenamtliche Rabbi Walter Homolka, 34, mit einigen Vorschußlorbeeren vom Aufsichtsrat ins Amt gehievt worden. Ein Mann mit Studium der Theologie und der Finanzwissenschaften, dann gearbeitet als Investmentbanker bei der Bayerische Hypobank, schließlich im Vorstandsstab der Bertelsmann Buch AG. So einer könnte den schwierigen Laden mit 120 Umweltschützern schon am Laufen halten, spekulierten die Aufsichtsräte. Immerhin hatte sein Vorgänger Burkhard Gnärig bereits nach sechs Monaten den Job wegen der „Vielzahl der Belastungen“ aufgegeben. Daß es zunächst ein wenig knirschte im Hamburger Büro, störte den Aufsichtsrat nicht, schließlich sollte der neue Mann für frischen Wind im Hause sorgen. Doch langsam wächst der Widerstand gegen den neuen Mann: „Er rede in Talkshows mehr über sich als über Greenpeace“, hieß es. Kritisiert werden auch die vielen Inlandsflüge und Taxifahrten des neuen Chefs, der öffentlich stets behauptet, „unökologisches Verhalten“ vermeiden zu wollen und mit dem Fahrrad ins Büro zu fahren. Unzufrieden waren seine Untergebenen aber vor allem mit der „geringen Sachkenntnis“: „er hat keine Ahnung“ und gebe keine „programmatischen“ Anregungen, klagt ein Insider. Auch sein Führungsstil wird als zu autoritär kritisiert: „Man kann nicht Leuten mit Kündigung drohen.“
Anfang September geht schließlich der erste Greenpeacer: Der Abteilungsleiter für die Medienarbeit, Norbert Schnorbach, „weil das mit Homolka nicht ging“, wie er heute sagt. Doch Homolka bleibt im Sattel. Vor zwei Wochen warf schließlich auch die stellvertretende Geschäftsführerin Birgit Radow das Handtuch. Auch sie geht wegen Homolka. Der Rücktritt der sehr beliebten Frau zwingt schließlich auch den Aufsichtsrat zum Handeln.
Mit dem Scheitern Homolkas steht nun die ganze Arbeitsstruktur von Greenpeace Deutschland in Frage. „Wir hatten eine Struktur“, sagt ein Greenpeace-Mitarbeiter, „bei der die Entscheidungen und die tägliche Verantwortung vor Ort stark auseinander lagen.“ Er wünscht sich wie viele Mitarbeiter, daß diejenigen, die die Greenpeace-Kampagnen planen und ausführen wieder mehr Mitspracherecht bekommen.
Der Aufsichtsrat hat für die Diskussion einer neuen Struktur nun überraschend den Weg freigemacht. Er ist es, der im Auftrag der lediglich 40 stimmberechtigten Mitglieder von Greenpeace Deutschland die letztliche Kontrolle über die Umweltorganisation hat. Zwar hat die deutsche Filiale über eine halbe Millionen Fördermitglieder – die sind aber nicht stimmberechtigt. „Der Weg ist offen“, so der Mitarbeiter, „die Kampaigner müssen sich nun ihr Entscheidungsrecht selbst nehmen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen