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Mit der Computermaus ins Glück

Die Ausstellung crossLinks stellt Medienskulpturen von Berliner Künstlerinnen vor  ■ Von Katrin Bettina Müller

Mitten im Katalog der Ausstellung crossLinks glaubt man, die Anzeige einer Zeitarbeitsvermittlung aufgeschlagen zu haben: Da umarmen Frauen Tastaturen, lächeln milde im Bildschirmlicht und tasten mit der Maus ihren schwangeren Bauch ab. Männer tauchen in dieser Symbiose zwischen Frau und Technik höchstens noch als Freitzeitobjekt auf. Das Rohmaterial dieser Collage von Cornelia Sollfrank stammt aus Prospekten der Computerindustrie.

Wer nun erwartet, unter dem Stichwort „Cyberfeminismus“ auf eine Kritik des industriellen Komplexes und seinen falschen Glücksversprechungen zu stoßen, wird eines anderen belehrt. Verena Kuni zitiert in ihrer Geschichte des „Cyberfeminismus“ die Entdeckung der britischen Kulturwissenschaftlerin Sadie Plant: „So wie die Maschinen intelligenter werden, werden auch die Frauen freier“, weil erstere letzteren die Arbeit abnehmen. Die Vorstellung von einer Feminisierung der Kultur qua Technisierung fand die Künstlerinnen-Förderung der Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft und Kultur inspirierend genug, um ihre mit 10.000 Mark dotierten Werkstipendien für Arbeiten mit neuen Medien auszuschreiben. Die Ausstellung crossLinks stellt die Ergebnisse vor.

Die schöne These von den Spielräumen, die mit Hilfe der Technik zu erobern seien, läuft in der Ausstellung allerdings bald auf Grund. Denn das Verhältnis zwischen Aufwand und Ergebnis ist teilweise unbefriedigend. Bei Kirsten Geislers „Dream of Beauty 2.0“ kann man per Knopfdruck einen Kuß bei einer stereotypen Schönheit auf einem Monitor bestellen, der in eine sperrige weiße Box eingelassen ist. Da lob' ich mir doch die Schere von Hannah Höch, die, zack, zack! die Normierung von Schönheit ökonomischer und unterhaltsamer auf den Punkt brachte.

Mit dem Motiv der Doppelgängerin arbeitet Bettina Hoffmann in ihren großformatigen Fotos, die wunderbar beiläufig inszeniert sind. Sowenig wie man bei geklonten Zwillingen fragen kann, wer denn zuerst da war, scheint die Frage sinnvoll, ob die Norwegerin Vibeke Tandberg, zuletzt auf der Berlin Biennale präsent, oder Bettina Hoffmann zuerst auf die Idee der Aufspaltung des Ichs in mehrere Rollen kam. Die Verwandtschaft ihrer Konzepte legt den Verdacht nahe, daß das technisch Machbare die künstlerische Phantasie doch in einem höheren Maße programmiert, als der inhaltliche Anspruch, sich mit dem Individuum auseinanderzusetzen, eigentlich verträgt.

Aller digitalen Manipulation zum Trotz: Noch ist man als Besucherin zu Fuß kein bloßer Anachronismus in der Medienkunst. Bei Annette Begerows „Constant Memory“ löst sich das Interieur eines Salons mit bestickten Kissen, barocken Rahmen und Spiegeln allmählich in graue Rechtecke und Pixel auf, die wie ein bewegter Vasarely den Übergang zwischen abstraktem Code und üppiger Gegenständlichkeit durchspielen. Auf dem Bildschirm wäre dieser technische Vorgang banal, als wandfüllende Projektion wird er wieder spannend.

In Christin Lahrs „Displaced Persons say Nothing to Nobody“ verstummen die Stimmen eines computergenerierten Gesprächs, das aus allen Richtungen im virtuellen Raum zusammenfließt, wenn sich ein realer Körper in der Installation bewegt: Die Entscheidung liegt also bei uns, in welchen Raum wir uns einschalten wollen. Gleich mehrere Welten simultan bietet Andrea Sunder-Plassmann in „browsing beauty“ an: Projektionen auf Wänden und großen Ballons zeigen Bilder, die an Bücher mit Titeln wie „Wunder der Erde“ oder „Kunstformen der Natur“ erinnern.

Neben der Ausstellung der Berlinerinnen haben die Kuratorinnen Kathrin Becker und Beatrice Stammer einen Medienshowroom von der Gruppe eveleightimm einrichten lassen. Für den Spaziergang im virtuellen Raum hockt man auf körperfreundlichen AOK-Bällen, wie die Computermaus Zentimeter vor- und zurückrollend, während man Ada Lovelace, Hedy Lamarr, dem Cyborg und anderen Popstars des Cyber- Space begegnet. Zudem bietet Ellen Nonnenmacher ein Training zur Initiation in das Netz an.

crossLinks, Galerie im Marstall, Schloßplatz 7, Mittwoch bis Freitag 14–20 Uhr, Samstag/Sonntag 12–20 Uhr. Website: http:// www.crossLinks.de . Training mit Ellen Nonnenmacher 12. und 13. Februar, jeweils 14–18 Uhr.

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