: Schneller und fairer – oder schneller und schärfer?
■ Großbritanniens Regierung bringt Gesetzentwurf für neues Asylrecht im Parlament ein
Dublin (taz) – Großbritannien will Asylbewerbungen in Zukunft im Schnellverfahren erledigen. Innenminister Jack Straw stellte gestern die entsprechenden Vorschläge im Parlament vor. Das neue Verfahren fällt unter das Labour-Schlagwort „Modernisierung“. Es soll „Erleichterungen für rechtmäßige Reisende bringen und gleichzeitig diejenigen an der Einreise oder dem Aufenthalt im Land hindern, die kein Recht dazu haben“, heißt es in dem Weißbuch zum Gesetzentwurf.
Künftig sollen Asylanträge innerhalb von zwei Monaten entschieden werden, der Bescheid über einen Widerspruch bei einer Ablehnung soll spätestens nach vier Monaten ergehen. Straws Vorschlag sieht weitgehende Maßnahmen vor, um dem „Mißbrauch des Asylsrechts“ auf die Spur zu kommen. So sollen Standesbeamte Detektivarbeit leisten, um Scheinehen aufzudecken; die Einwanderungsbehörden sollen Polizeifunktionen übernehmen; die Zahl der Verbindungsbeamten, die mit den Fluglinien zusammenarbeiten, soll aufgestockt werden, um illegale Einreisen zu unterbinden. Straw will prüfen lassen, ob die Fingerabdrücke von allen AsylbewerberInnen gespeichert werden dürfen. Darüber hinaus sollen noch mehr abgelehnte AsylbewerberInnen als bisher eingesperrt werden, bis sie abgeschoben werden können.
Das geplante Verfahren sei „fair, wasserdicht und schnell“, sagte Straw. Es gehe darum, die „internationalen Verpflichtungen gegenüber echten Flüchtlingen weiterhin zu erfüllen, aber gegen die Kriminellen vorzugehen“. Straw sprach in diesem Zusammenhang von „skrupellosen Einwanderungsberatern und Anwälten, die auf eine schnelle Mark aus sind und das Anhörungsrecht mißbrauchen“.
Das Innenministerium geht davon aus, daß 20.000 Menschen illegal in Großbritannien leben, die Einwanderungsbehörde spricht dagegen von der dreifachen Zahl. Die Asylanträge in Großbritannien haben aufgrund der Kosovo- Krise in den vergangenen anderthalb Jahren um 50 Prozent zugenommen. 52.000 Personen warten zur Zeit auf Erledigung ihres Antrags. Um die Liste zu kürzen, soll 30.000 Anträgen ohne Prüfung stattgegeben werden. Ab April 2001 könne das beschleunigte Verfahren dann angewendet werden. Die Asylbewerber sollen danach im Land verteilt werden, um „die Hafenstädte zu entlasten“.
Außerdem will Straw 150 Millionen Pfund im Jahr einsparen und den AsylbewerberInnen das Recht auf Sozialhilfe streichen. Sie sollen statt dessen eine Art Taschengeld erhalten, dessen Höhe aber noch nicht feststeht. Der britische Flüchtlingsrat sagte, die geplanten Maßnahmen würden dazu führen, daß die Betroffenen von Familie und Freunden getrennt leben müßten und mangels Bargeld auf Gutscheine und Lebensmittelpakete angewiesen sein werden. Der Geschäftsführer Nick Hardwick sagte, das Gesetz würde das Asylsystem in noch größeres Chaos stürzen. „Die Vorschläge sind sicherlich wasserdicht“, fügte er hinzu, „aber es gibt keinen Hinweis darauf, daß sie auch fair und schnell sind.“
Die Tories hatten AsylbewerberInnen bereits die Sozialhilfe gestrichen, wenn sie nicht schon bei der Einreise einen Asylantrag stellten. Tory-WählerInnen sind mehrheitlich generell gegen die Aufnahme von Flüchtlingen: Eine Umfrage des Guardian hat ergeben, daß nur 42 Prozent von ihnen dafür sind. Am liberalsten sind die Liberalen-WählerInnen – 57 Prozent wollen Asyl gewähren. Unter Labour-Anhängern sind es 53 Prozent. Ralf Sotscheck
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