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Süßer Abschied von BMW

■ Geschaßter Vorstandschef Pischetsrieder könnte Rekord-Abfindung erhalten. Debakel in Asien: „Wir haben die Krise unterschätzt“

München/Berlin (AP/taz) – In der Münchner Konzernzentrale von BMW kehrt keine Ruhe ein. Nach dem abrupten Rausschmiß des Vorstandschefs Bernd Pischetsrieder kamen gestern Schreckensmeldungen aus Asien. Dort hat der Autobauer 1998 fast ein Drittel weniger Autos verkauft als im Vorjahr: statt 100.000 nur noch 70.000 Stück. „Wir haben die Krise in Asien unterschätzt“, gestand der BMW-Direktor für den Auslandsverkauf, Lüder Paysen, auf der Jahrespressekonferenz von BMW Asia in Singapur.

Auch hier zeigte sich ein Gefälle zwischen der Marke BMW und der englischen Tochter Rover. Während sich der Rückgang bei BMW auf 22 Prozent belief, erlitt Rover Einbußen von 39 Prozent. Am drastischsten war der Einbruch mit minus 78 Prozent in Indonesien, gefolgt von Süd-Korea mit 74 Prozent. In Japan, dem wichtigsten Markt der Region, schrumpfte der Absatz um 8,3 Prozent.

Den Ex-Chef muß das nicht mehr wurmen. Nach einem Bericht der Zeitung Die Welt erhält Pischetsrieder, der die Leitung des Konzerns 1993 übernommen hatte, möglicherweise mit 15 Millionen Mark die höchste Abfindung der deutschen Konzerngeschichte. Bei BMW wollte man dazu keine Stellung nehmen.

Die Welt beruft sich auf die üblichen Regeln für das Ausscheiden von Topmanagern. Die Abfindung berechne sich demnach nach dem Jahresgehalt des Chefs von 3,5 Millionen Mark. Dazu komme ein vermuteter Aufschlag zum Ausgleich steuerlicher Nachteile, den viele Konzerne zahlten. Im Falle Pischetsrieder werde die Summe noch wegen der langen Restlaufzeiten seines Vertrags erhöht. Der Vertrag war erst letztes Jahr bis 2003 verlängert worden.

„In der Autobranche lag BMW bei den Vorstandsgehältern an der Spitze“, resümiert Leonhard Knoll. Er ist Mitglied des Vereins zur Förderung der Aktionärsdemokratie in Würzburg, der die Geschäftsberichte der Branche von 1990 bis 1995 durchforstet hat: „Inclusive Erfolgstantiemen und ohne Aktienoptionen lagen die BMW- Chefs bei einem durchschnittlichen Jahresgehalt von 1,75 bis 2,61 Milionen pro Kopf“, so Knoll.

Die schlechten Zahlen aus Asien haben an der Börse für wenig Beunruhigung gesorgt. Statt dessen herrscht immer noch Freude über das Ausscheiden Pischetsrieders. Am Montag legte die Aktie einen richtigen Höhenflug hin. Nach zeitweiligen Gewinnen von 9 Prozent schloß die Aktie mit 726,50 Euro – ein Plus von 6,5 Prozent gegenüber dem Kurs vom Freitag. Auch gestern war BMW eine der ganz wenigen deutschen Aktien, die dem Abwärtsdruck standhielten.

Übernahmegerüchte, die am Montag heftig kursierten, hat die BMW-Führungsspitze energisch zurückgewiesen. „Wir wollen unabhängig bleiben“, bestätigte Firmensprecher Jürg Dinner. Die Familie Quandt, der ein Anteil von knapp 49 Prozent an BMW gehört, habe erklärt, sie stehe ungebrochen zu BMW.

Die Sorge über die Zukunft von Rover spielte sogar beim Begräbnis von König Hussein eine Rolle. In Jordanien sprach der britische Premierminister Tony Blair am Rande der Trauerfeiern mit Bundeskanzler Gerhard Schröder über die Zukunft des Rover-Werks in Longbridge bei Birmingham. „Sie haben sich darauf verständigt, in Kontakt zu bleiben“, war alles, was ein Sprecher Blairs dazu sagte. Die rund 14.000 Beschäftigten des Rover-Werks Longbridge fürchten um ihre Jobs, wenn BMW hart durchgreift, um Rover wieder in die schwarzen Zahlen zu bringen. lieb

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