: Die Geheimnisse des Heimwerkers
■ Die Kunst stiehlt sich im Designeranzug vorbei – Ugo Rondinones „in the sweet years remaining“ in der Galerie Schipper und Krome
Am Galerienrundgang allein lag es nicht, daß das Publikumsinteresse an Ugo Rondinone zur Eröffnung so groß war. Tatsächlich ist der Schweizer in letzter Zeit zum Kunststar in Sachen Ambiente- und Club-Art aufgestiegen. Dennoch siedelt sich die aktuelle Ausstellung, die Rondinone in der Galerie Schipper + Krome unter dem Titel „in the sweet years remaining“ installiert hat, dem ersten Anschein nach zwischen obskurer Raumausstattung und schlichter Fotopräsentation an.
Die Kunstform der Installation, bei der die Arbeit zwischen Möbelstück und Verweisen aus subjektivem Handwerkerkosmos eine allumfassende und alles umfassende Weltauffassung repräsentieren soll, ist freilich nicht ganz neu. Vielmehr kann man von einer solchen Werkschau rasch auf Hochglanzkataloge und documenta-erprobte Künstler- und Kunstprofile schließen. Zuweilen entsteht sogar der Eindruck, daß sich die Kunst im grauen Designeranzug lautlos am Rezipienten vorbeistiehlt, ohne daß dieser gemerkt hätte, daß es etwas Wertvolles, Weitreichendes gewesen wäre.
Auch Ugo Rondinone installiert seine Ausstellungen beherzt, scheinbar vom nahe liegenden Heimwerkermarkt inspiriert. Er nutzt die Hinterhofräume der Galerie, um eine multimediale Holzwand ins richtige Licht zu rücken. Dem Betrachter ist dabei nur knapp die Hälfte des Raumes zugedacht, von dem aus der grob gezimmerte Raumteiler übermannshoch auf die Kunstfreunde wirkt. Hinter den weißgetünchten Latten leuchten bunte Lichter und vermitteln eher eine Karnevalsatmosphäre, die im krassen Widerspruch zu den an der Bretterwand präsentierten Fotos steht.
Die fotografischen Arbeiten zeigen den Wald in Winterstimmung. Schneefetzen bedecken den Waldboden, durch das Unterholz schleicht leise der Nebel. Auf vielen der Fotos ist eine Frau zu sehen, die verucht, der ungemütlichen Umgebung zu entkommen – nur ihre Geschichte hat sie als Geheimnis im Gepäck.
Die groteske Verlorenheit wird mit einer melancholischen Musik noch unterstrichen, die aus Lautsprechern dröhnt, die in den Raumteiler eingebaut sind. Ein Kürzestloop, der sich ständig wiederholt und sich mit der Zeit wie ein Wurm in das Bewußtsein der Besucher zu fressen scheint.
Offensichtlich versucht der Künstler eine vielschichtige Stimmung zu schaffen. Die vielen Elemente, die in der Ausstellung zur Wirkung kommen, widersprechen sich aber gegenseitig ganz elementar. Dann gesellt sich die Melancholie der Fotos und Musik neben die Euphorie der Präsentation von bunten Lichtern. Norman Lindner
Bis 6.3., Di.–Fr. 12–18 Uhr, Sa. 13–17 Uhr, Galerie Schipper und Krome, Auguststraße 91
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen