Der gefürchtete Fluch der letzten Minuten schlägt zu

■ Nach dem 65:74 gegen Bursa im Achtelfinale des Saporta-Cups muß Basketball-Bundesligist SSV Ulm mal wieder sein Lied von der eigenen Unkonzentriertheit in der Schlußphase singen

Ulm (taz) – Die Ulmer werden wohl eine Verkürzung der reinen Spielzeit beantragen müssen. Auf 35 Minuten oder so. Denn: „Wir haben zuletzt fast in jedem Spiel gegen Schluß einen Hänger.“ SSV- Coach Peter Krüsmann ist ein wenig ratlos. Schon am letzten Spieltag der Basketball-Bundesliga führte die Mannschaft gegen die Djk Würzburg bis sechs Minuten vor Schluß noch mit zehn Punkten und gab das Spiel letztendlich ab. Gegen Bursa stand es 64:64, als noch zwei Minuten zu spielen waren; nach dem Abpfiff hatte die Mannschaft aus der Türkei das Achtelfinalhinspiel im europäischen Saporta-Cup deutlich mit 74:65 gewonnen. Das Viertelfinale ist nun von Ulm aus gesehen weiter weg als Bursa.

Der Fluch der letzten Minuten, oder wie man sich ruckzuck um den Lohn seiner Bemühungen bringen kann. Die Ulmer können mittlerweile ein Lied davon singen. Obwohl sie ihr Bestes taten und in der ausverkauften Kuhberg-Halle sogar ein ziemlich gutes Spiel ablieferten. Obwohl der SSV-Star und Spielmacher Jarvis Walker nach der Geburt seines zweiten Kindes rechtzeitig wieder aus den USA angereist war und mit 22 Punkten sein Soll erfüllte.

Für die wohl zur Zeit beste europäische Mannschaft hätte der Tabellenzehnte der Bundesliga über dem Soll spielen müssen, um eine Chance zu haben. Dazu ist die Truppe aus der Türkei einfach zu ausgeschlafen und vom Spielermaterial her zu gut bestückt. Bedanken darf man sich dafür in Bursa beim Fiat-Konzern, der so freundlich war und geschätzte 13 Millionen Mark springen ließ. Was immer die Italiener in Bursa per Basketball im Schilde führen, sicher ist, es hat sich bisher auf der sportlichen Seite ausgezahlt. Tofas ist türkischer Tabellenführer und der Topfavorit auf den Gewinn des Saporta-Cups. Eine Mannschaft, die gespickt ist mit türkischen Nationalspielern und anderen dicken Brocken, wie dem amerikanischen Center Rashard Griffith oder Slaven Rimac.

Gar nicht zu reden von David Rivers. Den sich die Ulmer nicht mal leisten könnten, wenn alle Spieler auf ihr Gehalt verzichten würden, um ihn zu finanzieren. Ehemals ein NBA-Star der zweiten Garnitur und immerhin Earvin Johnsons Back-up bei den L.A. Lakers. Zweite Besetzung für „Magic“ – das heißt schon was. Und zumindest in der europäischen Basketball-Szene ist Rivers damit einer der ganz Guten. Beeindruckend seine Effizienz und seine Entschlossenheit in den wichtigen Phasen des Spieles. Wie er Rashard Griffith einsetzte oder selbst mit ein, zwei Weltklasseaktionen das aufkeimende Selbstvertrauen des Gegners abwürgte.

Es gab nämlich Phasen, in denen die Ulmer drauf und dran waren. Phasen, in denen Walker, Autry und Tim Nees trafen und Dirk Lommerse die Rebounds abräumte. Genau dann nahm Rivers die Sache in die Hand. Ein Mann für die „Big points“.

Dabei war er rein rechnerisch mit 24 Punkten nicht wesentlich effektiver als sein Ulmer Pendant Jarvis Walker. Die beiden lieferten sich ein hochkonzentriertes Duell, das man fast hätte unentschieden werten können. Die gesamte Mannschaft des SSV Ulm hätte sich zumindest ein Unentschieden verdient. Coach Krüsmann: „Wenn wir uns zum Schluß nicht einige dumme und überflüssige Fouls geleistet hätten, wäre mehr drin gewesen.“ Und: Wenn wenigstens ab und zu ein Dreier gesessen hätte, könnte man hinzufügen. Trotzdem, der Knackpunkt waren wieder einmal die letzten Minuten und David Rivers und seine „Big points“. Albert Hefele