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So laßt uns ein Apfelbäumchen pflanzen!

Wilhelmsburger SchülerInnen retten im Auftrag des BUND alte Obstsorten  ■ Von Gernot Knödler

Einen Baum pflanzen, eine Tochter bekommen und eine Eigentumswohnung kaufen – wenn es das wäre, was eine Frau in ihrem Leben vollbringen müßte, dann wäre Zehntkläßlerin Annika Cornelsen aus Wilhelmsburg gut dabei: Für das Projekt „Schüler retten alte Obstbäume“ des BUND hat sie im Garten der Bonifatius-Schule gestern einen Schößling gepflanzt.

Im Umgang mit den Bäumchen mangelt es den SchülerInnen allerdings noch an Erfahrung: „Was ist denn das, was ihr da eingegraben habt?“ – „Das ist ein Birnbaum“, sagt Annika. „Nein, ein Apfelbaum“, protestiert Magdalena Plewa aus der Fünften. „Die mit den Stacheln sind Birnen“, beendet Annika souverän die Debatte, während sie mit dem Spaten die schneedurchmischte Erde festpatscht.

Magdalena hat zumindest die Wahrscheinlichkeit auf ihrer Seite, denn die meisten Wildreiser, die die Kinder neben den Schulteich setzen, werden Äpfel tragen – und zwar solche mit klingenden Namen, wenn die Aktion wie gewünscht läuft: „Altländer Pfannkuchenapfel“, „Finkenwerder Herbstprinz“, „Ruhm von Kirchwerder“ oder „Schöner von Haseldorf“.

Das sind nur vier von 878 Apfelsorten, die vor 150 Jahren in Deutschland gezählt wurden, wie Paul Schmid, Pressesprecher des Hamburger BUND (Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland), erzählt. Im Supermarkt werden heute aber nur die immer gleichen 20 Sorten verkauft. Viele der alten Sorten sind unwiderbringlich verschwunden; die in ihnen steckende genetische Vielfalt, aus der neue Geschmacksrichtungen und Krankheitsresistenzen gezüchtet werden könnten, ebenfalls.

Im Hamburger Bezirk Harburg sind in den kommenden Jahren weitere der alten Obstsorten bedroht, fürchtet Harald Köpke vom Hamburger Vorstand des BUND. „Die alten Großgärten verschwinden immer mehr“, sagt der geistige Vater des Schüler-Projekts. Im Zuge der vom rot-grünen Senat angestrebten inneren Verdichtung Hamburgs würden statt ihrer Häuser auf die Grundstücke gesetzt. „Wir hoffen, daß damit der Druck für eine Bebauung auf der grünen Wiese abnimmt“, sagt Köpke. Gleichzeitig seien jedoch die ursprünglich zur Selbstversorgung angelegten Gärten bedroht – und mit ihnen viele Obstsorten, die heutige Wilhelmsburger zum Teil als Flüchtlinge aus den ehemals deutschen Ostgebieten mitbrachten.

Der BUND und die SchülerInnen der Bonifatius-Schule bitten deshalb alle HamburgerInnen, die alte Obstbäume in ihrem Garten haben und womöglich deren Namen kennen, Reiser zu spenden. Sie sollen eine Postkarte mit ihrer Adresse und Telefonnummer an die Bonifatius-Schule, Bonifatius-Straße 2, 21107 Hamburg schicken (Stichwort: „Alte Obstsorten“). Am 2. und 3. März wollen Annika, Magdalena und ihre MitschülerInnen die Triebe einsammeln und unter Anleitung durch eine Baumschule den gestern gepflanzten Wildreisern aufpfropfen.

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