Auf du und du mit den Hessen: Sozis, vergeßt Rot-grün!
■ Die Bremer Grünen sind ein Chaosclub ohne Regierungsprofil / Bonn wird auf einen anderen Retter warten müssen
Endlich macht es wieder Sinn, ein Bundesland zu sein. Nach dem hessischen Wahldebakel wird Bremen Bonn retten. Oskar, deine Sanierungsmilliarden tragen reichlich Zinsen! Im Juni bringt dir das rot-grüne Bremen die Bundesratsmehrheit zurück. Zwar sind die roten Nordlichter noch verwirrt ob dieser Chance, doch Bremens Grüne wissen endlich, wozu sie da sind: Die Schmach von Wiesbaden wird an der Weser getilgt. Der Bremer Fortschritt streitet für Rot-Grün. Wer hier nicht mitmacht, hilft Stoiber weiter auf die Beine.
Wenn es doch so einfach wäre! Fangen wir bei der Binsenweisheit an, daß Rot und Grün nur regieren können, wenn diese Mischung als probates Regierungsmittel auch in den Köpfen der Wähler existiert. Rot-Grün in Bonn ist aber immer noch nicht mehr als ein Antidot zur Entfernung von Kohl. Wie der Chaosclub bis zum Juni anerkanntes Regierungsprofil entwickeln soll, weiß derzeit keiner. Die Identi-tätskrise der Grünen hat erst begonnen. Die Wählerzweifel, wozu es gut sein soll, grün zu wählen, werden wachsen und die Partei weiter lähmen. Grün ist kein Meinungsführer mehr, wenn es darum geht, den Deutschen ihre Zukunftsangst zu nehmen. Die SPD kann hier nicht helfen. Sie läuft Gefahr, auf dem Weg zur Kanzlerpartei selber sprachlos zu werden. Wer sind wir eigentlich, fragen sich nicht nur die Grünen. Wenn aber niemand weiß, was rot-grüne Politik konkret dem Lande bringen kann, bleibt Aufbruchstimmung aus. Hessen ist das Beispiel.
Für Bremen gilt vorerst nichts anderes. Ihr gegenwärtiges Image gewinnt die SPD allein als Partei der Großen Koalition. Niemandem ist erkennbar, was die SPD ohne CDU anders machte. Aus der Verbindung mit der CDU erwächst nicht nur kein Leidensdruck für die SPD, sie fühlt sich vielmehr sichtlich wohl in dieser Ehe und unterstreicht das auch bei jeder Gelegenheit. Die Bremer SPD kennt kein anderes Wahlziel als Henning Scherf wieder zum Bürgermeister an der Spitze einer Großen Koalition zu machen. Und wenn sie sich nicht zu bescheuert anstellt, wird sie das Ziel erreichen. Die Entpolitisierung der Politik in Bremen infolge Haushaltsnot, die inzwischen eingetretene Verwechselbarkeit von SPD und CDU wird dem Wähler nur eine interessante Frage stellen: Soll Scherf Bürgermeister der vereinigten SPD und CDU bleiben. Und weil dazu keine Alternative existiert, gibt es nur eine Antwort.
Sollten Scherf und die SPD in den nächsten Wochen erkennbar machen, daß Rot-Grün für sie in Bremen denkbar oder gar wünschenswert sei, könnte urplötzlich aus Perschau die Alternative zu Scherf werden. Doch die Gefahr besteht nicht. Die Bremer SPD muß sich aus vielerlei Gründen einem rot-grünen Bündnis verweigern. Nicht nur, weil sie gar nicht wüßte, was ein von ihr geführter rot-grüner Senat in Bremen anstellen sollte, sondern weil auch die Grünen in Bremen für niemanden eine Herausforderung sind, es mit ihnen zu versuchen. Partner, mit denen man sich verbinden will, müssen einschätzbar sein. Wofür stehen künftig die Bremer Grünen? War schon schwer genug erkennbar, wofür sie bisher standen, kann nach dem Kandidatenschlachtfest vollends keiner kalkulieren, wozu Grün im Senat gut wäre. Wenn selbst der herbeigeeilte Altvater Fücks das Chaos kaum zu bändigen vermag, wie soll dann Regierungsattraktion entstehen. Trüpel und Mützelburg sind jetzt Fossile aus vergangenen Zeiten, deren Regierungsverläßlichkeit keinen Roten vom Sitz reißt. Nein, Bremens Grüne verführen niemanden zum Regieren. Selbst wenn Bremens SPD keine Schlafmützenpartei wäre und den Drive zum Ausbruch aus der Großen Koalition hätte, sie fände derzeit keinen Partner.
Bremens Zukunft hängt daran, wie bis 2004 der Finanzausgleich mit Bund und Ländern gefunden wird. In einer polarisierten Republik wird es für den Stadtstaat sehr schwer werden, Verständnis und Unterstützung bei vielen zu finden. Die Große Koalition wird damit argumentieren, daß ihr allein der Spagat über die Fronten gelänge. Grün müßte schon sehr attraktiv sein, um dagegen anzukommen. Es ist wirklich jammerschade, aber Bonn wird auf einen anderen Retter warten müssen.
Horst-Werner Franke, Senator a.D.
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