piwik no script img

Nach Grauen Panthern nun Graue Tunten?

■ Gay & Grey Lebenshaus: Wohnprojekt für Schwule und Lesben in der 3. Lebensphase

Auf den ersten Blick wirkt es wie ein ganz normaler Neubau mit besserer Ausstattung in besserer Gegend am Alsterlauf. Eine Sonnenterrasse, Parkplätze in der Tiefgarage und eine Waschküche stehen ebenso bereit wie Haussauna und Schwimmbecken, ein Veranstaltungsraum und ein Kaminzimmer. Doch in Hummelsbüttel soll etwas besonderes entstehen: ein „Gay & Grey Lebenshaus“ für ältere Schwule und Lesben. Nach den Grauen Panthern nun die grauen Tunten?

Es soll kein Altenheim sein, sondern eher ein „Ort liebevoller Gemeinschaft“ und ein „individueller Freiraum“. Für Mayk Int-Velt (27), Öffentlichkeitsbeauftragter des Projektes, ist klar: „Viele Schwule sind im Alter einsam, da kann unsere Idee Abhilfe schaffen!“ Das Projekt soll selbstbewußtes homosexuelles Leben auch in der „3. Lebensphase“ ermöglichen. Wie? Durch „Erlebnisvielfalt und Komfort von Service-Leistungen“ wie die Organisation von Städtereisen, medizinisches Personal im Haus und Fahrdienste, denn das Haus liegt wenig zentral.

Die Idee für das Projekt hatte der Mitwohnzentralenbetreiber und Initiator Sven Mai (31) schon länger. Im Juni dieses Jahres beschloß er, sein Vorhaben Wirklichkeit werden zu lassen. Der Hausbesitzer – katholischer Vater von fünf Kindern – hat gegen gleichgeschlechtlich Liebende nichts einzuwenden, und so konnte es losgehen. Makler Mai: „Zur Zeit lernen so viele Menschen wie noch nie, offen ihre Sexualität zu leben.“ Insofern erscheine die Notwendigkeit einer solchen Begegnungs- und Ideenstätte für Schwule und Lesben ab 50 plausibel und die Verwirklichung möglich.

Doch mieten kann hier nur, wer entsprechend zahlen kann. Service und Luxusausstattung wollen bezahlt sein: 40 Mark für den Quadratmeter mit „exklusivem Buchenstäbchen-Parkett“. Ein Ein-Zimmer Apartment wird um die 1500 Mark kosten. Es werden Ein- bis dreieinhalb-Zimmerwohnungen offeriert. Im Nachbarhaus soll eine Wohngemeinschaft für jüngere Mieter geschaffen werden. Miete hier 500 bis 700 Mark.

Patenschaften sollen weniger gut betuchten Interessierten ermöglichen, einziehen zu können: Finden sich genügend Sponsoren, soll für sie die Miete entsprechend sinken. Deshalb hat Sven Mai den Verein „Gay and Grey“ gegründet, der später nicht nur die Spendenwerbung, sondern auch die Öffentlichkeitsarbeit übernehmen und auch im Haus den „nötigen“ sozialen Rahmen schaffen soll.

Bei Hamburger Schwulen-Organisationen ist die Begeisterung eher verhalten. Matthias Schwark von der Hamburger Aids-Hilfe hält das Vorhaben für „eine schöne Idee“. Schwark: „Für bestimmte Leute ist sowas sicher gut.“ Peter Tschiche vom Magnus-Hirschfeld-Centrum schließt sich an: „Die haben was angepackt“, und schränkt angesichts der zu erwartenden Miete ein: „Es ist besser als nichts.“ Aids-Pastor Rainer Jarchow (55) begrüßt das Projekt, das das „Angebot vielfältiger“ mache, „denn das Bedürfnis von älteren Schwulen nach Nähe und Kontakt zu anderen ist da.“ Doch Hummelsbüttel klinge für ihn nach „alt und lebenssatt“. Im Oktober wird das Haus an der Alten Landstraße bezugsfertig. Anfang Dezember soll eine erste große Party den agilen Bewohnern und Gästen zeigen, was eine „Freizeit- und Lebensgemeinschaft“ bedeuten kann. Miguel-Pascal Schaar

Info: Gay & Grey Lebenshaus e.V., c/o Karl Mai; Holstenstr. 214, 22765 Hamburg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen