■ Der Wiener Opernball ist nicht nur zum Tanzen da. Wichtiger ist das Tischdamenduell: Sex gegen Mörtel, Dolly gegen Faye
Niemals nie kurze Socken zum Frack! Zum Glück kannte sich Siegfried Cinyburg, Fachgeschäftsinhaber für Reizwäsche, Lack, Leder und Fräcke, auch in den Details aus. Ohne ihn wäre ich vollständig aufgeschmissen gewesen. Dank seiner aber stand ich nun – mit knielangen Socken unter der Hose – korrekt gekleidet auf der „Stiege“ zum Opernball, um derart getarnt den diesjährigen Zentralwettbewerb mitzuerleben: Wer kommt als erste die Treppe herauf: Faye oder Dolly? Der Wiener Opernball ist schließlich nicht zum Tanzen da. Und dieses Jahr schon dreimal nicht.
Zwei alternde Zampanos hatten nämlich beschlossen, sich auf ihm zu duellieren. Schon in den Wochen vor dem österreichischsten aller Ereignisse stritten ein Peepshow-Betreiber (Sex-Köhler) und ein Bauunternehmer (Mörtel-Lugner) darum, wer wohl die Schönste in seine Loge bekommt. Lugner hatte Hollywood-Altstar Faye Dunaway eingeladen, Köhler war daraufhin mit Porno-Produzentin Dolly Buster nachgezogen.
Der Blitzlichtkrieg wird beim Opernball seit 49 Jahren (nur wegen der Golfkrise fiel er leider, leider einmal aus) stets auf der samtbelegten Marmortreppe am Haupteingang ausgetragen. Hier entscheidet sich, wer wichtig und wer wichtiger ist. Und weil die Reihenhfolge heuer nicht ganz klar war, warteten manche Fotografen schon vier Stunden vor der Saalöffnung an der Stiege, um sich auch ja den besten Stand- respektive Blitzplatz zu sichern.
So konnte man in aller Ruhe nochmals die Argumente der Kombattanten abwägen. Mörtel- Lugner, der den Opernball seit ein paar Jahren quasi zu seiner Privatfete umfunktioniert hat, weil nur er in der Lage und bei Kasse ist, echte Prominente für viel Geld zu sich an den Tisch zu holen (in seiner Kollektion befinden sich Ivana Trump, Sophia Loren, Joan Collins, Grace Jones und nun eben Faye Dunaway), eben jener Lugi fand es jedenfalls „degoutant“, einer Porno- Produzentin Einlaß zu gewähren. Ein allerdings zu vernachlässigender Vorwurf, da er selbst am liebsten Monica Lewinsky eingeladen hätte. (Die wollte aber nicht, und darum nahm er eben Dunaway – für angeblich 500.000 Schilling Gage.) Dolly, mit den Bedenken der Wiener Sittenwächter konfrontiert, hatte immerhin versprochen: „Ich komme nicht ohne Slip unter dem Ballkleid.“ Das hatte dann doch manchen beruhigt.
Doch gerade, als alle auf der Stiege heftig diskutierten, ging fast unbemerkt unten die Seitentüre auf, und Dolly kam zum falschen Eingang herein. Mein Gott, Dolly! Sie also schnell wieder raus und zur anderen Seite, doch in dieser Zeit war schon Margot zur richtigen Türe hereinspaziert, während Faye gerade erst aus dem Wagen stieg. Margot ist die – Donnerwetter, Donnerwetter – 20 Jahre jüngere Ehefrau des österreichischen Bundespräsidenten Thomas Klestil. Und die lief nun in ihrem paillettenbesetzten lila Tüllkleid als erste die Stiege hinauf!
„Nicht schlecht“, entfuhr es dem Baby Schimmerlos von Wien, den sie hier den „Adabei“ nennen, weil er immer a dabei ist. Und schon entstand wegen der wildgewordenen Fotografen ein Stau auf der Stiege, an dessen Ende erst Dolly mit Sex-Köhler und noch weiter hinten Faye mit Mörtel- Lugner standen.
Als endlich alle drei an mir vorbei waren, suchte ich in der Frack- innentasche einen Stift und notierte: „Dolly hat eindeutig die beiden schönsten Opernbälle.“ Damit war für mich die Entscheidung gefallen, doch den ganzen Abend über wurde trotzdem lebhaft weiterdiskutiert. Die Damen saßen einander – durch das tanzende Publikum voneinander getrennt – in ihren Logen gegenüber.
Ach so: Stimmt ja. Getanzt wurde dann doch. Walzer. Phillipp Maußhardt
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