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ÖkolumneWo bitte ist Herr Müntefering?

■ Ein Minister ist abgetaucht – zum Schaden der Verkehrspolitik

Man könnte meinen, es gibt ihn gar nicht. Er hält sich gut versteckt, wandelt spurlos durch die Hallen der hohen Politik. Bloß nicht auffallen, bloß nichts sagen, was jemanden interessieren könnte. Einen Agentenjob würde er bravourös erledigen. Doch er ist Minister geworden. Verkehrsminister.

So vergingen hundert Regierungstage, ohne daß Franz Müntefering im politischen Geschehen ernsthaft präsent war. Auch für ihn selbst eine verpaßte Chance: Nie waren die Möglichkeiten für einen Verkehrsminister besser, sich zu profilieren. Müntefering könnte als Sanierer der Bahn in die Geschichte eingehen, als Initiator der Verkehrswende. Ein erster Schritt hätte es sein können, Bahnchef Ludewig zu entlassen und statt dessen einen Manager zu berufen, dem die Bahn aus innerster Überzeugung am Herzen liegt. (Tip an den Minister: mal bei „Pro Bahn“ nachfragen.) Doch Ludewig, am Wahlabend im September als sicherer Verlierer gehandelt, sitzt heute dank Müntefering fester im Sattel denn je. Der Minister hat damit versäumt, der Bahn zu geben, was sie so dringend braucht: einen Manager, der Aufbruchstimmung bringt.

Das ist nur der Anfang der Versäumnisse. Auch die Bahnreform erfordert ein beherztes Eingreifen des Verkehrsministers. Nachdem die Telekommunikationsbranche gezeigt hat, wie Liberalisierung funktioniert, ist jetzt der Schienenverkehr fällig. Wo bleibt die Öffnung des Marktes für Konkurrenten der Deutschen Bahn AG? Wo die Regulierungsbehörde, die endlich dafür sorgt, daß jeder Anbieter die Trassen der Bahn zu vernünftigen Tarifen nutzen kann? Wer heute sieht, wie der Telefonkunde umworben wird, kann sich ähnliches nur für die Eisenbahn wünschen. Es würde gleichermaßen funktionieren: Mobilität ist wie Kommunikation ein Grundbedürfnis eines jeden Menschen.

Seit Jahresbeginn firmiert die Deutsche Bahn als Holding, ein idealer Zeitpunkt, weitere Konzepte zu präsentieren. Damit das „Unternehmen Zukunft“ wirklich Zukunft hat. Im Koalitionsvertrag steht's so schön geschrieben: Man wolle „die Verlagerung möglichst hoher Anteile des Straßen- und des Luftverkehrs auf Schiene und Wasserstraßen“. Aber wie? Schweigen im Hause Müntefering. Dringend notwendig ist etwa eine faire Regelung der Abgaben: Die Bahn bezahlt im Fernverkehr 16 Prozent Mehrwertsteuer, während der internationale Flugverkehr davon befreit ist. Absurd.

Und wo soll es mit dem Güterverkehr hingehen? Die Koalition hat sich zwar auf wohlklingende Formeln verständigt, sie werde an einer „umweltgerechten Lösung des Transitproblems für den gesamten Alpenraum aktiv mitwirken“. Über die Details dieser Lösung aber ist aus dem Hause Müntefering nicht zu hören.

Selbst in der Ökosteuer-Debatte litt Müntefering allzu häufig an Sprachlosigkeit. 284 Millionen Mark Mehrbelastung bringt der Bahn die neue Steuer – die Entlastungen bereits abgezogen. Und der Minister akzeptiert es. Dabei wäre es so einfach gewesen, mit der Ökosteuer die Bahn auf Vordermann zu bringen. Und das Image des Ministers obendrein. Die Zahlen sind bekannt: Nur 10 Pfennig je Liter Sprit würden jährlich sieben Milliarden Mark einbringen – das ist fast ein Viertel des Jahresumsatzes des Deutsche Bahn Konzerns. Mit diesem Geld ließe sich das Verkehrssystem nach schweizerischem Vorbild organisieren: Taktverkehr allenthalben, gute Busverbindungen, Car-Sharing-Autos an 250 Bahnhöfen und attraktive Jahreskarten. Nicht zufällig fährt der Schweizer dreimal so viel Bahn wie der Deutsche.

Hierzulande baut die Bahn unterdessen Personal ab. Sie hat Probleme mit veralteten Zügen. Sie kommt zu oft viel zu spät. Das Unternehmen streicht Anschlüsse – im kommenden Sommer vermutlich weitere 30 Interregios. Nicht einmal in dieser Situation hat sich der sozialdemokratische Verkehrsminister zu einem klaren Bekenntnis zugunsten der Bahn durchringen können. Statt dessen gibt er noch mehr Geld aus für die Straßen, während er zugleich die Investitionen in die Schienen knapp hält. Im Koalitionsvertrag aber hat Rot-Grün festgeschrieben, daß die Investitionsmittel schrittweise angeglichen werden.

Statt dessen schweigt Müntefering. Vielleicht will er ja auch nur noch ein wenig warten – bis der Koalitionsvertrag endgültig in Vergessenheit geraten ist. Bernward Janzing

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