: Schröder attackiert erneut die Grünen
■ In der Bonner Regierung bleibt die Stimmung gereizt: Der Bundeskanzler verteidigt seine Kritik am Koalitionspartner. Trittin sieht Mißtrauen zwischen SPD und Grünen. Schäuble und Gerhardt spekulieren
Bonn (dpa/taz) – Der Streit zwischen SPD und Grünen über das Erscheinungsbild der Bonner Koalition hat sich zugespitzt. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) rief Bündnis 90/Die Grünen am Wochenende zu politischen Kurskorrekturen auf. Die schleswig- holsteinische Regierungschefin Heide Simonis (SPD) warf den Grünen vor, in der Alltagsarbeit zu dogmatisch zu sein. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) sagte: „Ich habe bislang versucht, kein Öl ins Feuer zu gießen. Mangelnde Koordination und einseitige öffentliche Darstellung haben leider dazu geführt, daß Mißtrauen zwischen den Koalitionspartnern entstanden ist.“
Schröder sagte in der ZDF-Sendung „halb 12 – Eser und Gäste“, die Grünen müßten ihre Politik stärker an der gesellschaftlichen Mitte und der Realität orientieren. Wenn SPD und Grüne wieder eine „Zugewinngemeinschaft“ werden wollten, müsse sich die Mehrheit der Bevölkerung in der Regierungspolitik wiederfinden. Durch Randthemen sei dies nicht zu schaffen.
Trittin kritisierte im Berliner Tagesspiegel, der öffentliche Eindruck „Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“ werde „zu Lasten der Grünen inszeniert“. Er räumte ein, daß die Grünen derzeit „Wind von vorne“ hätten. Auf den Hinweis, der Koalitionsvertrag werde bereits nicht mehr eingehalten, entgegnete der Minister, ein Koalitionsvertrag sei eine Vereinbarung auf Zeit, die unter bestimmten Bedingungen geschlossen werde. „Und wenn sich diese Bedingungen aufgrund von Wahlen ändern, dann wäre es völlig falsch, das Papier gegen die Wirklichkeit einzuklagen.“
Der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, sagte am Samstag in Bonn: „Mit der Atompolitik hat Trittin mit starken wirtschaftlichen Interessen zu kämpfen.“ Bei dieser Aufgabe „macht man sich nicht nur Freunde“. Und er versicherte: „Bündnis 90/Die Grünen stehen hinter ihrem Umweltminister. Wir lassen Jürgen Trittin nicht zum Buhmann machen.“
Schröder verteidigte dagegen seine Kritik, die Grünen brauchten „mehr Fischer und weniger Trittin“. Mit dieser etwas „legeren Bemerkung“ habe er deutlich machen wollen, daß politische Inhalte auch in der Form stimmen müßten und nicht nur „kleine Minderheiten“ überzeugen dürften. Außenminister Fischers Politikstil sei auch in der Bevölkerung populär. Er hoffe, daß Trittin einmal über manche Kritik nachdenke. Dazu meinte Trittin: „Wer die Grünen auseinanderdividieren will, sollte es nicht so plump versuchen. Das schweißt uns zusammen.“
Die rot-grüne Koalition wird nach Einschätzung des Vorsitzenden der FDP, Wolfgang Gerhardt, die begonnene Legislaturperiode durchhalten, dies aber „mehr schlecht als recht“. Die Grünen hätten keine strategische alternative Option, und die SPD sei eine machtbewußte Partei. Zu den Grünen meinte Gerhardt: „Die schlucken so viel Kreide, daß es nur so staubt.“ Ähnlich äußerte sich der CDU-Vorsitzende Wolfgang Schäuble. Auf einen Koalitionsbruch „spekuliere ich nicht“, sagte er der Welt am Sonntag“.
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