: Aus der Stadtbahn geworfen
GAL gibt Widerstand gegen Flughafen-S-Bahn auf, sofern danach auch die Straßenbahn kommt. Finanzierung aber weiter unklar ■ Von Gernot Knödler
Hamburgs Grüne haben ihren Widerstand gegen die S-Bahn zum Flughafen Fuhlsbüttel aufgegeben. Es sei denkbar, daß sowohl die Flughafen-S-Bahn als auch die Straßenbahn („Stadtbahn“) gebaut werden – in dieser Reihenfolge, sagte Martin Schmidt, verkehrspolitischer Sprecher der GAL-Bürgerschaftsfraktion, gestern zur taz hamburg. „Wir halten es für möglich, daß die Alternative aufgelöst wird in ein Nacheinander.“ Voraussetzung sei allerdings, daß die Planung für die Straßenbahn nicht darunter leide.
Gerüchten zufolge wollten Bürgermeister Ortwin Runde, Bausenator Eugen Wagner und Wirtschaftssenator Thomas Mirow (alle SPD) mit dem S-Bahn-Bau auch ohne ausgeglichenen Betriebshaushalt der Stadt beginnen, also vom Koalitionsvertrag abrücken. Der sieht vor, wegen des Lochs im Stadtsäckel in dieser Legislaturperiode weder S-Bahn noch Stadtbahn zu bauen. Senatssprecher Ludwig Rademacher dementierte gestern: „Es gibt keine solche Entscheidung des Bürgermeisters.“ Und auch Martin Schmidt berichtete, Runde habe das glaubhaft abgestritten. Gespräche zwischen den Koalitionspartnern über den Bau von S- und Straßenbahn gebe es seit Monaten: „Ich rede mit Senator Wagner schon lange drüber.“
Die GAL hat sich in der rot-grünen Koalitionsvereinbarung für die Einführung einer modernen Stadtbahn stark gemacht. Erstens würde diese das Hamburger Nahverkehrsnetz aufwerten und zweitens erheblich kostengünstiger sein. Denn ein Kilometer S-Bahn schlägt laut Schmidt mit 150 Millionen Mark zu Buche, dieselbe Strecke für eine Stadtbahn nur mit 20 Millionen.
Mit der unzureichend gefüllten Stadtkasse vernünftig zu wirtschaften, hätte demnach geheißen: viele Kilometer Straßenbahn bauen statt weniger Kilometer S-Bahn. Das Dilemma dabei: Mit der Straßenbahn würde ein weiteres Verkehrssystem eingeführt, was wegen der Startinvestitionen viel teurer wäre als die S-Bahn zum Flughafen.
All' die Bedenken scheinen jetzt vom Tisch oder zumindest ausräumbar – Rot-Grün setzt auf die ganz große Lösung. Noch im November hatte die damalige GAL-Chefin Antje Radcke in der taz hamburg erklärt, die S-Bahn sei aufgrund der Haushaltslage nicht finanzierbar. Und vor 14 Tagen schätzte eine bestürzte SPD-Finanzsenatorin Ingrid Nümann-Seidewinkel das neue Haushaltsloch durch das Familienurteil des Bundesverfassungsgerichts auf „mindestens 300 Millionen“.
Jetzt gilt auf mittlere Sicht sogar eine Anbindung des Flughafens durch S- und Straßenbahn als möglich. Woher die Koalitionäre diesen plötzlichen Optimismus nehmen, ließ sich gestern nicht erhärten. Immerhin glauben alle, bei der Frage der S-Bahn-Betriebskosten eine Lösung gefunden zu haben: Rund zwei Mark Aufschlag auf jedes Flugticket sollen sie finanzieren.
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