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Nach buddhistischer Tradition glücklich

■ Experimentalfilme und Clips: Ein (unvollständiger) Zwischenbericht zur transmediale

Die Deutschen sind mindestens so schüchtern wie die Japaner, meint Naoko Tosa. Frau Tosa muß einiges an Überzeugungskraft investieren, um die Leute von der aktiven Teilnahme an „Romeo and Juliet in Hades“ zu überzeugen. Was Frau Tosa und ihr Kollege Ryohei Nakatsu als „Future Cinema“ bezeichnen, wird in der Sektion „Installationen“ gezeigt und muß dem bloßen Kunst-Potato in der Tat unverständlich bleiben. In diesem merkwürdigen Format zwischen Echtzeit-Animation und Karaoke geht es für zwei Spieler darum, in die Rollen von Romeo und Julia zu schlüpfen, um ihre digitalen Protagonisten vor grob verrechneten Hintergründen miteinander agieren zu lassen.

Nur wer sich eine verkabelte Weste und ein Mikrofon verpassen läßt, kommt in den vollen Genuß einer Geschichte, die als Fortsetzung von Shakespeares Blockbuster angelegt ist. Romeo und Julia sind tot, bekommen Ärger mit Mercutio, lassen sich über die Machenschaften ihrer Eltern aufklären und werden nach buddhistischer Tradition glücklich und gemeinsam wiedergeboren. So zumindest verläuft eine Variante des „Films“. Knallig bunte Farben und am Comic orientierte Bildgestaltung lassen kaum den Verdacht aufkommen, daß sich hinter der Leinwand zehn Rechner verbergen. Sie warten darauf, daß sich die Spieler immer wieder aufs Neue für eine der angebotenen Dialogversionen entscheiden. Während diese Karaoke-Komponente den Fortgang der Geschichte beeinflußt, verändert der Tonfall der Akteure die Mimik der Filmfiguren. Den kaum hörbaren sächsischen Akzent des Kollegen von der jungen Welt etwa interpretiert die japanische Software in diskriminierender Weise gleich als schlechte Laune.

In Berlin ist Frau Tosa unter anderem, um die Kollegen von der Filmindustrie von ihrem neuen Format interaktiver Filmunterhaltung zu überzeugen. Ob das klappt, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Die Besucher des Festivals zumindest scheinen sich in Cineasten mit Faible fürs Fantastische und die Animation, und solche mit multimedialen Vorlieben zu scheiden. Auch wenn Kurator Kwella sich die bange Frage stellt, ob Video womöglich schon tot sei, sind die abendlichen Screenings auch nach elf Jahren immer noch beliebt. Sie bieten auch in diesem Jahr ein Programm, das von verblüffenden Experimentalfilmen zu Clips reicht, deren einzige Existenzberechtigung darin zu bestehen scheint, die eben neueste Software dem staunenden Publikum vorzuführen. Spaß hat man damit allemal. Vor allem wenn sich die Linien kreuzen, wie in der technisch aufwendigen Produktion „Runners“ von Kazumo Morino aus Japan, die vorführt, welche Filme M. C. Escher mit dem entsprechenden Equipment wohl produziert hätte.

Filme wie „Runners“ und interaktive Anwendungen wie „Romeo und Juliet“ zeigen, daß selbstverständlich auch Produkte qualitativ überzeugend sein können, die von der Unterhaltungsindustrie hergestellt oder vom japanischen Telekommunikationsministerium gesponsert wurden. Wenn aber auch die Inhalte des Festivals selbst von mehr oder weniger industrienahen Institutionen oder ihrem Personal bestritten werden, gelangt man zumindest in die Nähe zum Format der Industriemesse. Einige Präsentationen im Bereich Multimedia werden von „Consultants“, „Konzeptionisten“ und Agenturen kuratiert; in Sachen Games wird heute um 12 Uhr ein ganzes Panel von der Spielefirma Terratools bestritten. Das hinterläßt einen schalen Beigeschmack, vor allem, wenn im Umfeld der Schwerpunkte VR und Interaktivität mit Vorliebe diffus entlang von Machbarkeiten und unhinterfragten Prämissen argumentiert wird. Vor dem Hintergrund digitaler Medien wird dort etwa die Kunst schnell zum Dienstleistungsfaktor, um in der Cyberwelt unsere „emotionalen und intellektuellen Fähigkeiten zu verbessern“.

Terrain wird dagegen an anderer Stelle gutgemacht: Euphorisiert durch den Strudel immer neuer Technologien wird gern vergessen, daß die Files von gestern schnell unlesbar werden können, wenn alte Formate und Hardwarekonfigurationen von neuen Modellen abgelöst werden. Was heute etwa auf dem WorldWideWeb zu sehen ist, könnte in ein paar Jahren verschwunden sein. Einfach weil das Web dann vielleicht längst durch ein neues Softwaremedium abgelöst worden ist. Ulrich Gutmair

Bis 21.2., täglich 12 bis 24 Uhr, Podewil, Klosterstr. 68–70; Infos unter www.transmediale.de

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