: US-Medikamentenfirma in Serbien kalt enteignet
■ Die serbische Regierung übernimmt gegen den Willen des US-Partners die Mehrheit am Joint-venture „Galenika“. Deren Eigentümer, der Exilserbe Panić, unterstützt die Opposition
Belgrad (taz) – „ICN Galenika“, mit 3.500 Beschäftigten die größte pharmazeutische Fabrik auf dem Balkan, war 1991 ein Musterbeispiel für die Privatisierung in Serbien. Der amerikanische Riese „ICN Pharmaceuticals“ kaufte für 270 Millionen Dollar 75 Prozent der Aktien, der Staat behielt 25 Prozent. Alles ging gut, bis Anfang Februar die serbische „Landesdirektion für die Einschätzung des Kapitals“ kurzerhand beschloß, die Eigentumsstruktur zu verändern: ICN darf nur noch 35 Prozent der Aktien halten, und der Staat übernimmt mit 65 Prozent die erfolgreiche Firma.
Die Polizei machte der neuen staatlichen Verwaltung den Weg durch demonstrierende Arbeiter frei, brach die Türen ein und umzingelte die Fabrik. Die Mitglieder der bisherigen Direktion wurden von der Polizei zu Informationsgesprächen abgeführt. Die gewaltsame Übernahme von „ICN Galenika“ wird von einer gewaltigen Kampagne der regimetreuen Medien begleitet, die den amerikanischen Partner als „schmutzigen Gangster und Ausbeuter“ darstellen, der sich an der Misere des serbischen Volkes bereichert. Die vom serbischen Regime eingesetzte neue Direktorin kann allerdings den modernen Betrieb nicht in Gang setzen, weil das technische Fachpersonal dem amerikanischen Eigentümer treu geblieben ist.
„Die serbische Regierung führt eine gewaltsame Nationalisierung von amerikanischem Eigentum durch. Das ist rechtlicher Terror, wir haben schon beim Internationalen Gericht in Paris die Anklage erhoben“, erklärte Dusan Mitević, Generaldirektor von „ICN Jugoslawien“. Anstatt seine Schulden von 170 Millionen Dollar für die gelieferten Medikamente zu begleichen, habe der Staat „ICN Galenika“ einfach beschlagnahmt.
Die amerikanische Botschaft in Belgrad ist „äußerst besorgt wegen der Bedrohung des Eigentums einer amerikanischen Firma in Jugoslawien“. Die amerikanische Regierung verfolge den Vorfall mit „größtem Interesse“, erklärte der amerikanische Wirtschaftsattaché, Greg Barton. Sollte es zu keiner Einigung mit der serbischen Regierung kommen, seien politische Maßnahmen nicht ausgeschlossen.
Mehrheitseigentümer von „ICN Pharmaceuticals“ ist der amerikanische Millionär serbischer Herkunft, Milan Panić, der 1993 jugoslawischer Ministerpräsident war. Der damalige serbische Präsident, Slobodan Milošević, holte ihn nach Jugoslawien, damit er „seinem Volk und seinem Heimatland“ hilft. Als sich Panić weigerte, Milošević' Marionette zu sein, wurde er zuerst politisch kaltgestellt, dann wurden seine Geschäfte in Serbien erschwert. Der „Raubüberfall“ in „ICN Galenika“ sei der Versuch, endgültig mit ihm abzurechnen, sagte Panić, der seit Jahren finanziell die serbische Opposition unterstützt.
„Galenika“ ist eines der wenigen erfolgreichen Unternehmen in Serbien, das 90 Prozent des Medikamentenmarktes beherrscht und seine Produkte nach Osteuropa exportiert. Seit einem Jahr tobt der Kampf zwischen dem serbischen Regime und der amerikanischen Firma: Der Staat habe alle ICN- Produkte aus staatlichen Apotheken und Krankenhäusern zurückgezogen, erkärte Panić, dafür hätte aber die serbische „pharmazeutische Mafia“ Medikamente importiert, viel teurer verkauft und das Leben von Menschen bedroht.
Panić hat für die Wahlkampagne der US-Demokraten gespendet und pflegt persönlichen Kontakt zu Präsident Bill Clinton. „Ich setze mich seit Jahren für die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen Jugoslawien ein. Jetzt stehe ich wirklich blöd in Amerika da“, erklärte Panić, in dessen Haus in Amerika die Seifenoper „Dallas“ gedreht worden ist.
„Dieser unerhörte, beispiellose Vorfall stellt alle ausländischen Investitionen in Serbien für Jahre in Frage, egal wie er ausgehen sollte“, sagte der taz ein westeuropäischer Investmentbanker. Das serbische Regime habe die Reste seiner Glaubwürdigkeit verspielt. Andrej Ivanji
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen