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„Für Schröder umsonst arbeiten? Nein!“

■ Rot-Grün soll die Massenarbeitslosigkeit bekämpfen / Doch was die neue Regierung tut, bereitet vielen Magengrummeln

Unter der Regierung Kohl staute sich bei vielen Erwerbslosen der Frust an. Vom versprochenen Abbau der Massenarbeitslosigkeit keine Spur. Rot/Grün solls jetzt richten, so hoffen viele. Inzwischen sitzt nicht wenigen Arbeitslosen die Wut im Bauch. Das bekamen die Bundestagsabgeordneten Marie-Louise Beck (Grüne) und Ilse Janz (SPD) jetzt zu spüren.

Zu einer Diskussion zum Thema „Was erwarten Erwerbslose von der neuen Bundesregierung?“ hatten Bremer Arbeitsloseninitiativen und die Solidarische Hilfe eingeladen. „Wie fühlen sie sich, hier über Arbeitslosigkeit zu reden und sich – angesichts sicherer Diäten – abends zurück ins Kissen zu legen?“, schoß ein Teilnehmer die Politikerinnen an. Einen Ex-Vulkanesen packte beim Stichwort Arbeitslosenhilfe, die jährlich um drei Prozent gekürzt werden soll, „die kalte Wut. Da gibt es Kumpels, die haben 40 Jahre in die Versicherung eingezahlt und jetzt merken die, die sind gar nicht versichert.“ Und die Inhaberin einer ABM-Stelle, die arbeitslose Jugendliche betreut, kritisiert: „Mir ist Kohl lieber, der sagt, –Ihr kriegt kein Geld und keine Arbeit', als Schröder, der sagt: –Ihr kriegt kein Geld und sollt trotzdem arbeiten'.“ Befürworte Schröder doch, wie das SPD-Wahlprogramm, den Ausbau des Niedriglohnsektors, so ein anderer der 30 Diskussionsteilnehmer. Ilse Janz wußte davon angeblich nichts. Mitgebracht hatten die beiden Bundestagsabgeordneten den unzufriedenen Arbeitslosen die Nachricht von zusätzlichen 9 Milliarden Mark für die Arbeitsmarktpolitik und ein neues Gesetz, das demnächst verabschiedet werden soll: Die Dreimonatsmeldung im Arbeitsamt soll zum Beispiel zurückgenommen werden. Auch weite Anfahrtswege will man Arbeitslosen künftig nicht mehr vorschreiben. Den Initiativen reichte das gestern im DGB-Haus nicht. Sie fordern, daß die Absenkung der Arbeitslosenhilfe zurückgenommen wird. Der Berufsschutz, der davor bewahrt, jede zumutbare Arbeit anzunehmen, soll wiederhergestellt werden. Arbeits- und Bewerbungszwang soll es nicht mehr geben. „Wir kriegen durch das Gesetz nur ein Minimum an Härte raus,“ kommentierte der arbeitlose Jörg Hutter (Grüne), der auf dem Podium saß.

„Der Schlüssel für das Problem Arbeitslosigkeit liegt sowieso in der Umverteilung von Arbeit“, fand seine Parteigenossin Beck. Sie favorisiert das dänische Rotations-Modell. Danach rückt für einen Facharbeiter, der aus der Arbeit ausscheidet, um sich zum Meister weiterzubilden, ein Arbeitsloser nach. Das Arbeitsamt bezahlt beiden die Fortbildung. Ilse Janz sprach sich für die Einführung der 35-Stunden-Woche als zentrale Lösung aus. Auch BeamtInnen sollten Abstriche von Gehalt und Arbeitszeit machen. „Über Veränderungen in der Arbeitsumverteilung und weniger Überstunden wird erst im Jahr 2000 zu Ende diskutiert.“ 2001 werde ein Gesetz dazu in Kraft treten, erklärte sie.

„2001 ist uns zu spät“, konterte ein Redner. Er forderte, Subventionen an die Bedingung zu knüpfen, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Eine Teilnehmerin plädierte verärgert für die Kürzung des Rüstungshaushaltes. Beides hätten die Grünen nicht durchsetzen können, so Beck. Britta Erlemann

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