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Voodoo-Musik

■ Ein Film für Kinder, kein Kinderfilm: „The Tic Code“ von Gary Winick (Kinderfilmfest)

Nur wenn Miles am Klavier sitzt, hört das Zucken auf. Wenn er Jazz spielt, so wie sein Vater, der die Familie verlassen hat, erst dann muß er nicht mehr den Mund verziehen, die Augen auf und zu klappen, sich wie manisch kratzen. Miles leidet an der Nervenkrankheit Tourette-Syndrom, nur in der Musik findet er wieder zu sich selbst. Nach der Schule treibt er sich in einer Jazz-Bar rum. Dort lernt er den Saxophonisten Tyrone kennen, der unter einem ähnlichen Tick leidet.

Die Bar ist nicht nur Fluchtpunkt vor der Krankheit, sondern manchmal auch vor seiner zwar liebevollen, aber übervorsichtigen Mutter Laura. Die studiert Fernsehaufnahmen von Thelonious Monk, weil sie glaubt, an der Jazz- Legende ähnliche Symptome wie bei ihrem Sohn entdeckt zu haben. Schließlich gehen Laura und Tyrone miteinander aus, und zu Hause versucht Miles Voodoo- Techniken, um die beiden zusammenzubringen.

„The Tic Code“ beruht auf der wahren Kindheitsgeschichte des Jazz-Pianisten und Komponisten Michael Wolff, dessen professionelle Karriere mit 19 Jahren in der Band von Cal Tjader begann. Später spielte er mit Cannonball Adderley, Nancy Wilson, Sonny Rollins und Airto Moreira, veröffentlicht bis heute aber auch regelmäßig eigene Platten. Wolff hat den Soundtrack für „The Tic Code“ verfaßt, seine Frau Polly Draper spielt die Mutter seines filmischen Alter egos Miles und hat darüber hinaus auch das Drehbuch geschrieben. Zusammen haben sie den Film produziert.

„The Tic Code“ führt einem mit seiner zwar professionellen, aber eben auch unaufgeregten und einfühlsamen Inszenierung deutlich vor Augen, woran es vielen anderen Kinder- und Jugendfilmen meist mangelt. Allzu oft dienen Kinderfilme und ihre kleinen Etats Anfängern als erste Fingerübungen und in anderen Genres Gescheiterten als Ausweichmöglichkeit. Hier wurde einmal ein erfahrener Regisseur mit einem logischen, gut recherchierten Drehbuch ausgestattet, konnte etablierte Schauspieler engagieren und hatte ausreichend Geld zur Verfügung.

Die Filmgeschichte wird „The Tic Code“ nicht umschreiben, aber ganz leicht ragt er aus dem restlichen Programm des Kinderfilmfestes heraus. Nicht umsonst hat er als einziger Film dieser Sektion bereits einen deutschen Verleih. Vor allem aber nimmt „The Tic Code“ seine Geschichte und seine Figuren ernst. Kein Kinderfilm, sondern ein Film für Kinder. to

Heute, 10 Uhr FaF; 18.2., 15 Uhr FaF; 20.2., 16.15 Uhr Urania, empfohlen ab 10 Jahre

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