„Es ist alles schon da“

■ Regisseur Ventura Pons über seinen Film „Amic/Amat“ („Geliebter/Freund“, Panorama)

Aus nächster Nähe fährt die Kamera an dem Körper entlang, fokussiert Oberschenkel, Brust, Bauch, Arme, alles getaucht in rotes Licht: Ein Callboy bereitet sich auf einen Kunden vor. Mit dieser Szene öffnet „Amic/Amat“ – und schließt auch mit ihr: eine Klammer für den Film, in dessen Verlauf das scheinbar geordnete Leben von fünf Figuren aus der Bahn gerät.

taz: Herr Pons, Sie haben Ihre Karriere als Theaterregisseur begonnen und arbeiten auch jetzt mit renommierten Bühnenschauspielern zusammen. Was bringt dem Film diese Nähe zum Theater?

Ventura Pons: Im Theater habe ich gelernt, mit Schauspielern umzugehen, sie zu lieben – das ist sehr wichtig, schließlich ist man als Regisseur auf die Schauspieler angewiesen. Außerdem ist die zeitgenössische katalanische Literatur, und vor allem die Arbeit der Dramatiker, einfach sehr reichhaltig: eine schier unerschöpfliche Quelle guter Geschichten, die nur darauf warten, verfilmt zu werden.

„Amic/Amat“ geht auf ein Stück von Josep M. Benet i Jornet zurück, der auch das Drehbuch schrieb. Würden Sie sagen, daß nicht nur der Stoff, sondern auch der Aufbau des Films – etwa, daß er im Verlauf eines Tages spielt – an die Theaterherkunft erinnern?

Nein, das sehe ich anders, es gibt schließlich jede Menge Filme, die an einem Tag spielen. Im Gegenteil: Der Stoff wurde stark ans Kino angepaßt. Im Vergleich zum Stück hat sich sehr vieles geändert. Die Frauenfiguren zum Beispiel sind neu. Und erst in der 20. Minute des Films fällt ein Satz, der auch im Stück vorkommt.

Im Gegensatz zu anderen Filmen aus Spanien, die jetzt in Berlin laufen – „Entre las piernas“ zum Beispiel oder „Lágrimas negras“ – wählen Sie einen ruhige, unaufgeregte Erzählweise. Obwohl es um Schlüsselmomente im Leben der Figuren geht, fehlt die Melodramatik, die große Geste.

Das hat mit dem Drehbuch zu tun, und natürlich mit der Art, wie ich den Stoff vorbringe. Ich bin kein Freund übermäßiger Emphase. Der Text von Benet ist so profund, da ist es zum Glück nicht notwendig, den Stoff auszuquetschen. Es ist ja alles schon da.

Barcelona spielt eine wichtige Rolle in „Amic/Amat“ und in „Caricies“, mit dem Sie im vergangenen Jahr in Berlin waren...

...in allen meinen Filmen. Barcelona ist die Stadt, in der ich lebe, die ich immer wieder inszeniere. Ich liebe diese Stadt – und leide auch darunter. Was für Truffaut Paris, ist für mich Barcelona.

Aber in „Caricies“ ist die Stadt tatsächlich Protagonistin, in „Amic/Amat“ hingegen scheint sie ein wenig in den Hintergrund gedrängt.

Sicher, ich kann die Stadt ja nicht immer auf dieselbe Art in meine Filme einbauen. Dafür habe ich diesmal Orte gewählt, die bisher noch in keinem meiner Filme vorkamen, etwa die Kirche Santa Maria del Mar, die schönste Kirche Barcelonas, wie ich finde. Oder den Parque Güell, wo ich als Kind spielte.

Mit einer Ausnahme sind Ihre Filme auf katalan gedreht. Zeigen Sie Ihre Arbeiten im übrigen Spanien in untertitelter oder synchronisierter Fassung?

Beides. In Madrid wird „Amic/ Amat“ gerade untertitelt und synchronisiert gezeigt. Und die untertitelte Fassung läuft, soweit ich informiert bin, sogar besser – was sehr gut ist, weil der Film in der katalanischen Fassung einfach intakt ist. Die Synchronisierung wird übrigens von den Schauspielern selbst übernommen, und die machen das sehr gut, aber eigentlich kann ich Synchronfassungen nicht leiden. Interview: Cristina Nord