: Zwei Yorubas kämpfen um Nigeria
■ Ex-Militärdiktator Obasanjo hat nach seiner Nominierung durch die größte Partei die besten Aussichten, Präsident zu werden
Lagos (taz) – Der ehemalige Militärherrscher Olusegun Obasanjo wird voraussichtlich der nächste Präsident Nigerias. Dies ist die vorherrschende Meinung, nachdem die größte nigerianische Partei PDP (People's Democratic Party) ihn auf ihrem Wahlparteitag in der Stadt Jos mit einer Zweidrittelmehrheit zu ihrem Spitzenkandidaten für die Wahl am 27. Februar kürte. In seiner Antrittsrede versprach Obasanjo am Montag „ehrliche, gerechte, transparante, pflichtbewußte und mutige Führung“, um „die Nation vor ihrem Schicksal zu retten“.
Sollte Obasanjo gewinnen, wird der Ex-General am 29. Mai aus den Händen der derzeitigen Junta- Chefs Abdulsalam Abubakar das Amt des Staatschefs von Nigeria erhalten. Obasanjo war von 1976 bis 1979 selbst Militärherrscher in Nigeria und gab als bisher einziger unter Nigerias Diktatoren die Macht freiwillig an gewählte Nachfolger ab.
Zwischen 1995 und 1998 saß er im Gefängnis. Er genießt vor allem im Ausland hohes Ansehen, ist aber auch unter der herrschenden Elite wohlgelitten. Da er zugleich aus dem Yoruba-Volk kommt, das im Südwesten Nigerias um Lagos konzentriert ist und der nordnigerianischen Militärelite traditionell skeptisch gegenübersteht, ist er in den Augen der vielen hohen Politiker und Militärs, die ihn nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis im Juni 1998 zur Rückkehr in die Politik drängten, der ideale übergreifende Kandidat zur Rettung des kriselnden nigerianischen Staatswesens.
Genau deshalb betrachten ihn manche radikale Yorubas aber inzwischen als Verräter. Die Präsidentschaftswahl vom 27. Februar wird diese Spaltung offensichtlich machen – denn es wird nur einen Gegenkandidaten geben, der ebenfalls ein Yoruba ist: Olu Falae, der gestern offiziell von der Allianz der beiden kleineren Parteien All People's Party (APP) und Alliance for Democracy (AD) zum gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten nominiert wurde. Falae, ein ehemaliger Finanzminister in der Zeit des Militärdiktators Ibrahim Babangida (1985–1992), wurde schon vor einigen Wochen von der AD, die aus der nigerianischen Demokratiebewegung und Yoruba- Vereinigungen hervorging, zum Kandidaten gekürt; die APP zog am vergangenen Wochenende mit einem völlig unbekannten Ex- Gouverneur nach.
Die Allianz der beiden Parteien gegen die PDP war von der nigerianischen Wahlkommission zunächst verboten worden, aber nun wird sie doch stattfinden, indem die AD offiziell niemanden aufstellt und ihren Spitzenkandidaten Falae der APP überläßt. Es werden ihm aber nur relativ geringe Chancen eingeräumt.
Daß die erste freie Präsidentschaftswahl seit der annullierten Wahl von 1993 im Vielvölkerstaat Nigeria nun zwischen zwei Angehörigen der gleichen Ethnie ausgefochten wird, ist ein Zeichen für den Willen auf allen Seiten des politischen Spektrums, die rasante Ethnisierung der nigerianischen Politik in den letzten Jahren nicht noch weiter fortschreiten zu lassen. Andererseits könnten sich Teile Nigerias nun noch weiter aus dem politischen Spiel ausgeschlossen fühlen, vor allem angesichts der Intrigen, die der Nominierung Obasanjos durch die PDP vorangingen.
Respektierte Politiker aus allen Teilen Nigerias hatten sich zunächst Hoffnungen auf die Kür durch Nigerias größte Partei gemacht, aber am Ende schlug Obasanjo sie alle unter Einsatz erheblicher finanzieller Mittel. Ein Bankangestellter berichtet, wie Bekannte von ihm, die als Delegierte zum PDP-Wahlparteitag gereist waren, die Qual der Wahl hatten: Sollten sie ihre Stimme einem Kandidaten geben, der ihnen 400 Naira (acht Mark) bot – oder Obasanjo, dessen Lager 50.000 Naira (1.000 Mark) springen lassen wollte? Die Entscheidung fiel relativ leicht.
Aber für neue politische Krisen ist es jetzt eigentlich zu spät, denn bis zur Wahl sind es gerade noch zehn Tage. Ein richtiger Wahlkampf, der den mehrheitlich auf dem Land lebenden 120 Millionen Nigerianern die Politiker nahebringt, ist ohnehin ausgeschlossen. Eine nigerianische Zeitung hat ausgerechnet, daß unter Berechnung von Reisezeiten jeder Kandidat in jedem der 36 Bundesstaaten gerade mal durchschnittlich vier Stunden für Wahl und Wahlkampf aufbringen kann. Ein erster Test, wie begeistert die Wähler von dieser Art der Demokratisierung sind, werden die Parlamentswahlen sein, die bereits am kommenden Samstag stattfinden. Dominic Johnson
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