piwik no script img

Nicht weniger, sondern gar keinen Trittin

■ Schröder gegen Stoiber, Stoiber gegen Schröder, alle gegen Trittin - beim Politischen Aschermittwoch in Niederbayern ließen die Politiker die Sau raus, und der Bundeskanzler stellte klar: In der r

Berlin/Passau/Vilshofen (dpa/ AP/taz) – „Der war sogar besser als Franz Josef Strauß.“ Der oberfränkische Besucher des Aschermittwochs der CSU in Passau klopfte sich auf die Schenkel. Seit Strauß' Tod durfte Edmund Stoiber wieder als einziger Redner in der Nibelungenhalle ran. Drei Stunden lang hämmerte der CSU- Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident eine einzige Botschaft seinen 7.500 Anhängern in die Köpfe: „Diese Bundesregierung muß weg.“ 10.000 Maß Bier wurden dabei in Passau geleert.

In Vilshofen trat derweil Gerhard Schröder in die Bütt. Erstmals nutzte ein SPD-Bundeskanzler die bayerische Tradition, um über den selbststilisierten Herausforderer aus München zu derdeckeln (bayr. für schimpfen). „Änder mal in drei Monaten“, rief Schröder 5.000 Anhängern zu, „was die in 16 Jahren versaubeutelt haben.“

Unter dem Jubel ihrer Zuhörer stießen Schröder und die bayerische SPD-Chefin Renate Schmidt standesgemäß mit Weißbierglas und Maßkrug an. Edmund Stoiber pflegte seine angekratzten Stimmbänder in Passau derweil mit Tee und Wasser. Dennoch gab sich der bayerische Alleinherrscher volksnah. Rot-Grün habe Angst vor „der Stimme des Volkes“ und diffamiere sie – indem sie die Unterschriftenkampagne als „Hetze gegen Ausländer“ bezeichne. Es sei Aufgabe seiner Partei, der CSU, „dem Volk aufs Maul zu schauen“, sagte der Ministerpräsident, dem seine Bayern in landesweiten Bürger- und Volksentscheiden das Regieren schwermachen.

Stoiber kritisierte die Außenpolitik der rot-grünen Regierung und deren Auftreten. „Diese Bundesregierung braucht nicht weniger Trittin“, variierte er einen Satz des Bundeskanzlers der letzten Tage, „sondern gar keinen Trittin.“

Umweltminister Jürgen Trittin war selbst in Passau. Als wäre er in Hörweite, fragte der Norddeutsche nach dem Unterschied zwischen dem lieben Gott und Stoiber: „Gott weiß alles, Stoiber weiß alles besser.“ Vor 300 Anhängern forderte der Mann mit dem Schnauzbart, auch jenseits des Aschermittwochs eine deutlichere Sprache zu sprechen und eine klarere Politik zu machen. „Warum geht man solche Fragen so zaghaft an“, mäkelte Trittin an der Steuerpolitik seines Koalitionspartners von der SPD herum, „wenn man den Ärger sowieso kriegt?“

Der Umweltminister versuchte, auch auf dem Gebiet der Atompolitik verlorenes Terrain für seine Partei zurückzugewinnen. Wer sich Sorgen um die Kosten des von den Grünen forcierten Abschaltens der Atommeiler mache, der verkenne die Dimension des Schritts: „Das sind alles lächerliche Diskussionen vor dem Hintergrund des tatsächlichen Risikos“, das von AKWs ausgehe.

Schröder: Ich bestimme die Richtlinien der Politik

Bundeskanzler Gerhard Schröder ließ indes keinen Zweifel daran, wer der stärkere Partner in der Regierung in Bonn ist. Jeder in der Koalition wisse, meinte Schröder, „daß der Schwanz nicht dem Hund wackelt“. An die Adresse Trittins wandte sich Schröder „in aller Freundschaft, aber auch mit aller Deutlichkeit“: „Die Richtlinien der Energiepolitik bestimmt Gerhard Schröder und nicht Jürgen Trittin.“ Der Ausstieg aus der umstrittenen Form der Stromgewinnung werde folglich etwas länger dauern, als manch einer meine, sagte Schröder.

SPD-Landeschefin Schmidt griff Bayerns Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) scharf an. Es sei der „Gipfel der Heuchelei“ und „versuchte Volksverdummung“, die hohen Zahlungen Deutschlands an die EU der neuen Regierung anzulasten. Die Beträge habe Helmut Kohl ausgehandelt und überwiesen. Stoiber unterliege der „Selbsttäuschung“, wenn er meine, Deutschland könne diese Zahlungen einseitig reduzieren: „Was für Stoiber früher die Saupreißn waren, sind für ihn heute Brüssel und die Grünen.“ Christian Füller

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen