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Kein politisches Mandant für den Asta in Sicht

■ Bremens Verwaltungsrichter raten den Studenten, sich an Politiker zu wenden

Ein Urteil sprachen die Richter der sechsten Kammer des Verwaltungsgerichts gestern nicht, aber sie fanden deutliche Worte: „Wer ein allgemeines politisches Mandat will, muß sich an die Gesetzgeber wenden“, sagte der Vorsitzende Richter Hartmut Hülle gestern im Prozeß des Studenten Jan Schuhmann gegen den AStA der Universität Bremen. Gerichte seien dafür der falsche Ort und an die Entscheidungen der Gesetzgeber gebunden. Mit anderen Worten: Der Studentenausschuß darf sich auch in Zukunft nur zu hochschulpolitischen Fragen äußern. Allgemeinpolitische Fragen sind tabu.

Der Streit zwischen dem Lehramtsstudenten Jan Schuhmann und dem AStA geht zurück ins Jahr 1996. Der AStA finanzierte damals den Druck der Zeitschrift „bambule“, in der unter anderem gegen den Castor-Transport protestiert wurde. Das Oberverwaltungsgericht gab Schuhmann recht, verwies die Sache aber zurück ans Verwaltungsgericht. Im Rahmen der Kampagne „Wir nehmen den Maulkorb ab“, schaltete der AStA daraufhin unter anderem Anzeigen gegen den Lauschangriff. Das Verwaltungsgericht ahndete das mit einem Ordnungsgeld von 20.000 Mark, das auf 15.000 Mark abgemildert wurde. Der vorläufige Rechtsschutz, den Schuhmann erwirkt hatte, sollte gestern durch ein Urteil endgültig werden. Doch dieses zog sich zur Beratung zurück. Das Urteil wird binnen zwei Wochen erwartet.

Die Richter ließen aber schon gestern kaum Zweifel daran, wie ihre Entscheidung aussehen wird. Sie beriefen sich auf das bremische Hochschulgesetz, nach dem der AStA kein allgemeinpolitisches Mandat hat. Auch die Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei eindeutig. AStA-Anwalt Hans-Eberhard Schultz appellierte an den „Mut“ der Richter eine „Entscheidung gegen die herrschende Meinung zu fällen“. Der AStA sei nicht vors Gericht gezogen, sondern werde mit Klagen überzogen und müsse sich wehren. „In Zukunft wird der AStA auf Vollversammlungen eine Person als Zensor bestimmen, die bei politischen Äußerungen und Forderungen der StudentInnen mit einer Glocke – oder vielleicht besser noch mit einem Hammer – zur Ruhe ruft“, bekräftigte Haidy Damm vom AStA die Forderung nach einem allgemeinpolitischen Mandat vor Gericht. So dürfe der AStA zwar bessere Bedingungen für ausländische StudentInnen fordern – ohne auf das Ausländergesetzt hinzuweisen. „Ein Schlingerkurs“, sagte auch Christine Kirchhoff, zweite AStA-Vorsitzende.

Das Gericht möge im Sinne der „herrschenden Rechtsprechung“ entscheiden, forderte Oliver Liesmann, der Anwalt von Schuhmann, knapp. Liesmann, auch Politik-Student, geht derzeit gerichtlich gegen den AStA vor. Er will dem Ausschuß kritische Äußerungen über Burschenschaften verbieten. Der AStA habe „weltanschaulich und politisch neutral“ über Studentenvereinigungen zu berichten. Liesmann ist Mitglied des Vereins Deutscher Studenten. „Das ist die Schuhmann-Schneider-Connection“, vermutet Kirchhoff. René Schneider, Langzeitstudent mit über 40 Semestern, gründete in Münster das „Institut für Hochschulrecht“. Seither firmiert er als „AStA-Jäger“ und wirbt mit dem Slogan: „Kommen Sie zu uns, wir sind die richtigen Gegner für ihren AStA.“

Daß das Institut ihn beraten habe, bestätigt Schuhmann. Er habe sich 1996 über den AStA geärgert, weil der Ausschuß das Geld der Studenten zum Fenster herausgeworfen habe. Der AStA war damals ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, weil die Reisekosten rund 18.000 Mark betrugen. Der Ausschuß sei damals „Zentralorgan gewisser Kreise“ gewesen, so Schuhmann. Dagegen habe er etwas unternehmen wollen. Der Rechtsstreit habe für ihn aber nicht mehr die gleiche Bedeutung wie 1996. „Ich wollte keinen Maulkorb-Erlaß oder eine Hexenjagd“, sagte er. Wenn der AStA sich künftig „am Rande zu politischen Themen“ äußere, wolle er „keine Vollstreckung“ dagegen einleiten.

Schneider hat gestern eine allgemeinpolitische Erklärung abgegeben: „Ich beantrage die Todesstrafe für Öcalan“, heißt es in Pressemitteilung No. 14421. Der Terrorist Öcalan werde „durch den Bremer Anwalt Schultz vertreten, der auch den Asta der Universität Bremen vertritt. Die Republik Türkei und mein Institut haben also dieselben Feinde. Deshalb sind wir von Natur aus auch die besten Freunde.“ kes

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