Werthebach will Polizeirecht verschärfen

■ Nach den Kurdenprotesten will Innensenator Eckart Werthebach verdächtige Personen vier Tage lang ohne Haftbefehl festsetzen können. SPD und Opposition wollen dagegen vermitteln. Innenverwaltung ver

Mit der Forderung nach einer Verschärfung des Polizeirechts hat gestern Innensenator Eckart Werthebach (CDU) auf die Kritik am Einsatz der Polizei vor dem israelischen Generalkonsulat am Mittwoch mittag reagiert. „Das Instrument des Unterbindungsgewahrsams“, sagte Werthebach, „ist unverzichtbar, um etwa Rädelsführer für vier Tage aus dem Verkehr ziehen zu können.“ Der Innensenator verwies in diesem Zusammenhang auf andere Bundesländer, in denen Personen, die der potentiellen Ausübung von Straftaten verdächtigt werden, vier Tage lang ohne Haftbefehl festgesetzt werden können.

Während Werthebach sich zuversichtlich darüber äußerte, daß sich auch der Koalitionspartner SPD einer Verschärfung des Allgemeinen Polizei- und Ordnungsgesetzes (ASOG) nicht verschließen werde, schloß der innenpolitische Sprecher der SPD, Hans-Georg Lorenz, einen solchen Schritt aus: „Werthebach soll endlich aufhören, sein eigenes Versagen durch das Werfen von Nebelkerzen zu verschleiern.“ Auch die Oppositionsparteien Bündnis 90/Die Grünen und PDS lehnten eine Verschärfung des Polizeirechts ab.

Um über eine weitere Beruhigung der Situation zu beraten, traf sich gestern abend der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Hans-Peter Seitz, mit Vertretern von Kurden und den Oppositionsparteien (siehe unten). Dabei wurde die Innenverwaltung aufgefordert, die Namen der drei Erschossenen, der verletzten und festgenommenen Kurden bekanntzugeben. Bereits zuvor hatte der Anwalt der Demokratischen Immigranten Union, Volker Ratzmann, heftige Kritik am Innensenator und der Polizei geübt. Die Behörden hätten bisher jegliche Auskünfte über die Identität der getöteten Kurden und über die Vorwürfe gegen die rund 230 am Vortag festgenommenen Demonstranten verweigert. Ebenso sei es entgegen bisheriger Praxis nicht erlaubt worden, daß Festgenommene vor ihrer Vernehmung Kontakt zu ihren Anwälten aufnehmen durften. Nach Angaben Ratzmanns sind unter den 16 Schwerverletzten vom Vortag 15 Personen mit Schußverletzungen.

Einen Vorgeschmack auf polizeiliche Verschärfungen hat Innensenator Werthebach bereits gestern gegeben. Ein für 13 Uhr angesetzter Trauermarsch für die drei im israelischen Konsulat erschossenen Kurden wurde von Werthebach kurzerhand verboten. Vor dem Halleschen Tor in Kreuzberg trafen sich trotz des Verbotes etwa 100 Demonstranten, die aber schon bald wieder friedlich auseinandergingen. Zu dem Trauermarsch hatte die Demokratische Immigranten Union bereits am Mittwoch abend in den Vereinsräumen am Kreuzberger Mehringdamm aufgerufen. Über 500 Kurden waren zusammengekommen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Die Erschießung der Kurden durch israelisches Botschaftspersonal stelle den „Höhepunkt der Feindschaft Israels gegenüber dem kurdischen Volk dar“, hieß es in einem Flugblatt. Die Bundesregierung wurde aufgefordert, eine Beobachterdelegation in die Türkei zu schicken.

Nach Angaben von Alper Baba von der Demokratischen Immigranten-Union, die zu dem Trauerzug aufgerufen hat, wollen sich die Kurden aber an Demonstrationsverbote halten. Der Kurdenverein werde jedoch weiterhin versuchen, in den kommenden Tagen eine Demonstration nach Recht und Gesetz auf die Beine zu stellen.

Auch eine weitere Demonstration um 17 Uhr am Wittenbergplatz, zu der die autonome Szene aufgerufen hatte, war von der Innenverwaltung verboten worden. Dabei kam es zu einzelnen Rangeleien zwischen den etwa 200 Demonstranten und der Polizei. Die Verbote wurden von der Innenverwaltung mit der angespannten Sicherheitslage begründet. Es wäre kein störungsfreier Verlauf zu erwarten gewesen, sagte Werthebachs Sprecher Martin Strunden. Ein generelles Demonstrationsverbot gebe es aber nicht. ges, nau, wera, sam