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Erlebniswelt mit Angstzonen

The Future Sound of Frankfurt: Die Bankenstadt am Main wird immer höher und setzt zum „Maßstabssprung“ an. Die aktuelle Ausstellung des Deutschen Architekturmuseums führt vor, wo die Zukunft stattfindet: in Shoppingsockeln, Hotelfoyers und Skylobbys  ■ Von Jochen Becker

In einer der letzten Ausstellungen des Deutschen Architekturmuseums wurde die Etablierung der Bundesbank in Frankfurt am Main noch als „Trostpreis“ abqualifiziert. Da wurde so getan, als ob die höchste Bankendichte der Bundesrepublik, die mächtigste Börse Kontinentaleuropas oder die Etablierung der Europäischen Zentralbank ohne die inzwischen zum Geldmuseum ergänzte DM- Notenbank denkbar gewesen wäre. Nun läßt sich der emblematische Euro-Tower kostenlos als Bastelbogen unter www.grundwert- fonds.de bestellen, und zu Weihnachten prangte auch am Messeturm ein leuchtendes E, um neben dem liberalisierten Warenverkehr auch den einheitlichen Geldfluß der „Euro-Zone“ anzuzeigen. Gleichzeitig lancierte die hessische CDU eine Hatz gegen die Einbürgerung all derjenigen, die dem deutschen Reinheitsgebot widersprechen: The Future Sound of Frankfurt.

Vom Museumsufer aus hat man einen imposanten Blick auf die maßgeblich von Bankgebäuden geprägte Frankfurter Skyline. Parallel zur Einführung des Euro und dem neuen Stadtgutachten „Frankfurt 2000“ widmet sich die aktuelle Ausstellung „Maßstabssprung“ nun der „Zukunft von Frankfurt am Main“, garniert mit dem aus Berlin wohlbekannten Trommelfeuer aus Modellbau- Kunst und Developer-Prosa. Um die „Europastadt“ (Planungsdezernent Martin Wentz) auszubauen, machte sich Frankfurts Stadtverwaltung wieder einmal einen Hochhausplan. Den aktuellen Vorschlägen steht vorsichtshalber eine Chronologie der gescheiterten Rahmenplanungen voran.

Die in „Frankfurt 2000“ vorskizzierte Urbanität spielt sich vorzugsweise in Hotel-Apartments sowie Shoppingsockeln und Skylobbys ab und soll die „soziale Akzeptanz“ bei der Bevölkerung fördern. Öffentlich zugängliche Bereiche in Foyer oder Turmspitze sind im platzgreifend ausgestellten Stadtmodell mit leuchtroten Farbstreifen an den Hochhausklötzchen markiert. Nach Maßgaben des Gutachtervotums garantieren „Zugänglichkeit, leichte Orientierbarkeit, Befriedigung der Basisbedürfnisse von Sicherheit, Verweilmöglichkeit und eine hohe ästhetische Gestaltung, die die Kommunikation fördert“, den öffentlichen Raum des Corporate citizenships. „Die neue Dienstleistungsökonomie braucht zwar die Stadt, sie braucht aber nur einen Teil der in ihr lebenden Menschen“, kommentiert Katalogautor Hartmut Häussermann lapidar. Armutsbevölkerung raus?

Die städtebaulichen Wettbewerbsentwürfe für ein bei der Messe geplantes „Urban Entertainment Center“ bilden so etwas wie den Zukunftskern der Ausstellung. Zwischen Messe, Bahnhofs- und Bankenviertel entwickelt die Bahn-Tocher EIM zusammen mit der Stella AG, der TrizecHahn Europe GmbH und den städtischen Planungsbehörden auf dem abrißreifen Güterbahnhof einen Komplex aus CinemaxX und Musical, „Themengastronomie“, „Erlebnisshopping“ und „Wellness“ sowie Büros, Tiefgarage und Wohnen. Jährlich sechs Millionen BesucherInnen sollen hier mit „Fiesta nonstop“, „Entertainment“ und „Best Business“ versorgt werden. Der wie beim Potsdamer-Platz- Projekt am Reißbrett definierte Branchenmix setzt sich aus „Bausteinen“ zusammen, hier jedoch zum Hochhaus übereinandergestapelt. Bei rund 1,5 Milliarden Mark Investitionskosten soll das projektierte „innerstädtische Leben“ Renditen bei Tag und Nacht abwerfen: The city never sleeps.

„Nachtleben“ heißt eine Café- Bar an der Konstabler Wache, die von der Stadtverwaltung gefördert wurde, um diesen innerstädtischen „Brennpunkt“ besser im Blick zu behalten. Ansonsten glänzt die urbane Unterhaltung rund um die Anlieferzonen der Hochhäuser durch einen „Maßstabssprung“ ins Provinzielle. Wie Marianne Rodenstein in ihrem lesenswerten Katalogbeitrag nachzeichnet, gilt globalen DienstleisterInnen die Entsendung nach Frankfurt als Strafe und wird mit einem „Schmerzensgeld für die Verschlechterung der Lebensqualität“ ausgeglichen.

Die „einzigartigen Erlebniswelten“ bilden den Auftakt für eine Überbauungsorgie innerstädtischer Bahnbrachen, welche neben dem Güter- auch den parallel gelegenen Hauptbahnhof erfassen soll. Die Initiative „zukunft zentrum“, ein Markenname der EisenbahnImmobilien Management GmbH sowie der Deutschen Bank, will das „Parkviertel wertsteigernd entwickeln und veräußern“. Die Innenstadt soll für Frankfurts Pendlerschicht soweit reaktiviert werden, daß diese auch ihre Wohnsitze hierhin verlegen. Angesichts des Verdrängungsdrucks geben deshalb schon jetzt manche das kleinbürgerlich-migrantisch geprägte Gallusviertel verloren.

Als suburbaner Seitenableger der Ausstellung untersuchten Studierende an der TU Darmstadt die Region Rhein-Main. Diese stellt sich laut Projektleiter Joachim Schöffel nicht mehr räumlich umfaßt dar, wie es noch die Verwaltungsgrenzen definieren, sondern ist eine emotionale Mischung aus Erfahrung und Identifikation zwischen Weinfestlokalität und Pendlertum. Nachttankstellen, Bahnstationen und Imbißketten fungieren als Serviceknoten einer neuen, regional sich orientierenden Öffentlichkeit, welche sich nicht mehr am Dorfbrunnen, sondern an Verkehrsknotenpunkten versammelt.

„Wolkenkratzer-Festivals“ für die lokale Bevölkerung und „Moderationsverfahren“ genannte Gesprächsrunden rund um die geplante Startbahn-Nord forcieren die Durchsetzung von umstrittenen Großprojekten. Schon die „kulturelle Aufrüstung“ und „soziale Befriedung“ der Bevölkerung durch Museumsufer und Römerberg-Rekonstruktion in den frühen 80er Jahren war ein Versuch, die wilde Zeit des Häuserkampfs abzufedern. Selbstbewußt nannte sich damals ein überregional verbreitetes Frankfurter Kunstjournal „Wolkenkratzer“.

Mit einer Ausnahme sind noch alle Hochhausprojekte einzig durch Sondergenehmigungen zustande gekommen, was lokale Projektentwickler spürbar in Vorteil setzt. Kungeln und Bestechen zählen hier zum Geschäft. „Nach weitgehendem Rückzug der ausländischen Investoren gehören nun die Immoblilien in der Frankfurter Innenstadt weitgehend den deutschen Banken, bankeigenen Immobiliengesellschaften, deren Immobilienfonds und einigen wenigen Privatleuten. Es soll sich um schätzungsweise 70–80 Prozent der Frankfurter City handeln.“ (Stefan Böhm-Ott/Marianne Rodenstein)

Auch wenn Frankfurt am Main im Weltmaßstab nur in der zweiten Liga spielt, ist die „Entkopplung des Finanzplatzes Frankfurt vom Rest der Stadt“ (Joseph Esser/ Timo Da Via) deutlich spürbar. So meiden die FinanzdienstleisterInnen nach Büroschluß die als „Angstzonen“ definierten Innenstadtbereiche. Der Standort wird zunehmend von „Verkehrslagegunst“ oder der richtigen Zeitzone bestimmt, so daß der globale Handel niemals schläft. Jeder vierte Frankfurter hat keinen deutschen Paß – das wird nur mehr von Kreuzberg übertroffen –, wobei die gehobenen DienstleisterInnen aus New York oder London gar nicht einmal zugerechnet sind, da diese häufig außerhalb wohnen. Während die wohlhabenden FrankfurterInnen seit jeher Lusthäuser vor den Toren der Stadt bezogen, prägte schon um 1850 die in die Handlangerdienste der Stadt drängende verarmte Landbevölkerung den Begriff „Wohnungsfrage“. „Die Wohnungsnot der unteren Schichten wurde zum Dauerzustand“, vermerkt der Katalogautor Christoph Mohr.

Unbeeindruckt davon macht sich die Oberbürgermeisterin Petra Roth „Mut zum großen Wurf“ und wünscht sich im Grußwort noch einen „Maindome“. Wie man hört, wird das Deutsche Achitekturmuseum städtischerseits jedoch eher knappgehalten. Auf der Aufschlagseite des Katalogs sind zwei Dutzend Sponsorenlogos zu finden. Den freien Eintritt ermöglichte „zukunft zentrum“, eine Initiative der EisenbahnImmobilien Management GmbH sowie Deutsche Grundbesitz und Eurohypo mit dem Logo der Deutschen Bank Gruppe. So spricht die Eingangswand. Wo geht's hier zum Corporate showroom?

Deutsches Architekturmuseum, bis 28. Februar. Ein Katalog (Hg. Christian Niethammer/Wilfried Wang) erschien beim Ernst Wasmuth Verlag und kostet 98 DM

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