„Braucht es dafür ein Kulturstadtjahr?“

■ Star-Events dominieren Weimar 99, kritisiert Frank Motz von der „Gruppe der sieben Zwerge“

Frank Motz ist Galerist, die „Gruppe der sieben Zwerge“ ein Zusammenschluß lokaler Kulturinstitutionen.

taz: Der große Event-Troß zieht Ende des Jahres weiter. Was wird dann vom Kulturstadtjahr in Weimar bleiben?

Frank Motz: Nachhaltig wird sich zunächst das riesige öffentliche Interesse auswirken. Und natürlich profitieren bestimmte Museen und Institutionen vom Geldsegen, den das Kulturstadtjahr mit sich bringt. Weniger nachhaltig gingen die Planer dagegen bei der Programmgestaltung vor: Es fehlt an Konzepten, die dem kulturellen Leben der Stadt zu einer neuen Entwicklung verhelfen.

Was heißt das konkret?

Man hätte 1999 sehr gut dafür nutzen können, Arbeitsplätze im Kulturbereich für die nächsten fünf Jahre zu sichern. Statt dessen stellt das Programm eine Aneinanderreihung von punktuellen Events mit den großen Stars dar.

Was gibt es denn gegen große Stars einzuwenden?

Nichts, auch ich höre gern Anne-Sophie Mutter oder Yehudi Menuhin zu. Die Frage ist nur: Kann ich das nicht genausogut woanders – braucht es dafür ein Kulturstadtjahr? Man kann natürlich argumentieren: Prima, daß die Stars alle mal herkommen! Ich glaube aber nicht, daß diese Star- Events das Nonplusultra eines Kulturstadtkonzepts sind. Wichtiger sind Projekte, die den Titel Kulturstadt als Anlaß für einen Aufbau einer kulturellen Infrastruktur nehmen.

Sie fürchten, daß das in Weimar nicht gelingen wird. Wer ist schuld?

Die Stadt hat es nicht geschafft, die Arbeit der Kulturstadt GmbH nach ihren eigenen Richtlinien zu lenken. Stockholm gab sich und der GmbH beispielsweise klare Vorgaben: Jedes Projekt, daß bewilligt werden sollte, mußte europäischen Charakter tragen, die örtliche Kultur-Infrastruktur ausbauen helfen oder die regionale Kunst fördern. Solche Leitbilder fehlen in Weimar völlig.

Worin bestand das Problem?

Während Stockholm Prämissen setzte, die Kulturmacher in ihre Bahnen gelenkt hat, ist es in Weimar andersrum. Die Kulturstadt GmbH hat ein Produkt entwickelt, was – mit vereinzelten Ausnahmen – von niemandem hinterfragt wurde, weder von anderen Kulturschaffenden noch von der Stadt oder Journalisten oder der Weimarer Bevölkerung. Man muß jetzt bekennen, daß sich niemand damit auseinander- oder zur Wehr gesetzt hat.

Über Erfolg oder Mißerfolg entscheiden auch Taxifahrer, Kellner und Polizisten. Ist es gelungen, die Bevölkerung zu aktivieren?

Das halte ich für essentiell: Wenn die Bevölkerung mitzieht, kann ganz viel Energie freigesetzt werden. In Weimar ist das zwar zunächst gelungen, vieles von dieser Energie aber schon wieder verpufft.

Was hätte besser gemacht werden können?

Die wichtigste Aufgabe eines Generalbeauftragten einer Kulturstadt GmbH hätte sein müssen, die vorhandenen Energien freizusetzen, auszubeuten und auszubauen. Das bedeutet: Tag und Nacht zu kommunizieren, öffentlich präsent zu sein.

Was hätten Sie anstelle von Bernd Kauffmann gemacht, dem Programmdirektor des Kulturstadtjahrs?

Wenn ich Kauffmann wäre, hätte ich jedes Jahr auf dem Zwiebelmarkt – sozusagen dem Oktoberfest Weimars – einen Stand gemietet und mich den Leuten zum Diskurs gestellt. Kauffmann hat es beispielsweise nicht geschafft, zum großen Silvesterfeuerwerk, dem Beginn des Kulturstadtjahres, zu erscheinen und den 20.000 Versammelten zuzurufen: Hurra, jetzt sind wir Kulturstadt Europas! Derart versäumte Statements reflektieren die Verbindung von Programmdirektor Kauffmann zu Weimar. Interview: Nick Reimer