Türkei maßlos im Triumph über PKK

■ Ecevits Armee bombardiert PKK-Lager im Nordirak und geht gegen die prokurdische Partei Hadep vor. Öcalan klagt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Proteste von PKK-Anhängern in Europa gehen weiter

Berlin (dpa/AP/taz) – Während die türkischen Behörden gestern mit dem Verhör des unter strengen Sicherheitsvorkehrungen inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan begannen, hat die türkische Armee eine grenzüberschreitende Großoffensive gegen die PKK begonnen. Nach Militärangaben sind vor einigen Tagen türkische Bodentruppen über die Grenze in den Nordirak einmarschiert. Sie werden von der von Massud Barsani geführten irakisch-kurdischen Demokratischen Partei (DPK) unterstützt. Angaben über die Truppenstärken wurden nicht gemacht. Die türkischen Zeitungen berichteten am Donnerstag vom Einsatz von rund 10.000 Soldaten.

Berichten zufolge werden die Bodentruppen von Kampfflugzeugen und Hubschraubern aus der Luft unterstützt. Diese bombardierten Lager und Stellungen der zirka 1.500 PKK-Kämpfer in der unwegsamen Bergregion. „Die Terroristen der separatistischen Organisation fliehen in Panik“, hieß es. Angaben über die Zahl von Toten oder Verletzten wurden zunächst nicht gemacht.

In der Türkei rollt eine Verhaftungswelle gegen die prokurdische Partei Hadep. Wie der türkische Menschenrechtsverein gestern in Istanbul mitteilte, wurden mehr als 400 Parteimitglieder festgenommen, davon allein 350 in Istanbul. Die türkische Justiz hatte vor Wochen ein Verbotsverfahren gegen die Hadep eingeleitet, der vorgeworfen wird, von der PKK gesteuert zu werden.

Kenia räumte gestern indirekt eine Beteiligung an der Entführung Öcalans („Operation Safari“) ein. Nachdem eine Zeitung in Nairobi unter Berufung auf den Leiter der Einwanderungsbehörde berichtet hatte, Kenia habe „an der Deportation des kurdischen Rebellenführers voll mitgewirkt“, entließ Präsident Daniel arap Moi den Behördenchef.

Folgen hatte die „Operation Safari“ auch in Griechenland. Der Innen- und der Außenminister sowie der Minister für öffentliche Ordnung traten gestern zurück.

Öcalan reichte gestern vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Klage gegen die Regierung in Ankara ein. Der PKK-Chef werfe der Türkei mehrere Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskonvention vor, teilte der Europarat in Straßburg mit. Sein „Recht auf Leben“ sei in Gefahr, weil in der Türkei, entgegen den Bestimmungen der Menschenrechtskonvention, noch immer die Todesstrafe in Kraft ist.

Auch gestern kam es in ganz Europa wieder zu Anschlägen und Besetzungen durch PKK-Anhänger. Am Vormittag drangen 50 Kurden in das UN-Gebäude in Wien ein. Sie beendeten die Besetzung nach wenigen Stunden. In Wiesbaden setzte die Polizei Wasserwerfer gegen etwa 300 Kurden ein, die sich weigerten, das Gelände vor dem Innenministerium zu räumen. Gewaltsam beendete die Polizei auch einen Versuch, eine Kreuzung vor dem Hauptbahnhof Wiesbadens zu blockieren. In Stuttgart zogen etwa 2.000 Kurden zu einer Geschäftsstelle der Grünen. In Berlin verzichteten mehrere kurdische Vereine auf einen geplanten Trauermarsch. Er war verboten worden.

In Deutschland ist eine Debatte um die rechtlichen Konsequenzen aus den Gewaltaktionen entbrannt. Bundesinnenminister Schily schloß nicht aus, gegebenenfalls auch die Ausweisungsgesetze zu verschärfen. Bayerns Innenminister Beckstein forderte völkerrechtliche Vereinbarungen mit der Türkei, da nach der geltenden Rechtslage eine schnelle Ausweisung nicht möglich sei. Der FDP-Generalsekretär Westerwelle warf den Justizbehörden vor, daß kurdische Gewalttäter ohne Feststellung der Personalien abziehen konnten. Nach dem Angriff auf das israelische Konsulat in Berlin wurden gestern 28 Kurden dem Haftrichter vorgeführt. Dort waren am Mittwoch drei Kurden erschossen worden. Auch gestern war strittig, warum das Konsulat polizeilich so schlecht gesichert war und wie es zu den Schüssen gekommen ist. Berichte Seiten 2, 3 und 5

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