„Migranten vor die Tür setzen?“

■ Bundesausländerbeauftragte Beck (Grüne) und Innensenator Borttscheller (CDU) setzen Streit über Doppelpaß fort

Eine Überraschung bot die Diskussion zwischen Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) und der Bundesausländerbeauftragten Marieluise Beck (Grüne) am Donnerstag doch: Die politischen Gegner der Grünen, die auf Einladung der Jungen Union (JU) zur Frage „Führt der Doppelpaß ins Abseits?“ zahlreich ins Überseemuseum gekommen waren, gingen mit Beck viel zahmer um, als deren eigenes Wahlvolk. Das war eine Woche zuvor, geschockt von der rot-grünen Wahlschlappe in Hessen, angesichts bevorstehender Kompromisse im Staatsbürgerschaftsrecht, mit Beck hart zu Gericht gegangen. „Intellektuelles Gerede“ statt publikumswirksamer Auftritte wurden ihr öffentlich vorgeworfen. „Rot-Grün nimmt die Bauchgefühle der Menschen nicht ernst.“ Und Beck hatte geknickt eingeräumt, daß ihr Anliegen nicht eventmäßig im Privatfernsehen zu plazieren sei. Weswegen sie schon erwogen habe, dort nicht mehr aufzutreten.

Vor der JU aber trat die Ausländerbeauftragte selbstbewußt auf. Beim erneuten Treffen mit Bremens CDU-Rechtsaußen, Borttscheller, der im Januar noch vom „Sicherheitsrisiko Doppelpaß“ gestoibert hatte, ging sie diesen offensiv an. Taktik diesmal: Eine Bre-sche zwischen seine Position und die liberalerer Christ-Unionisten schlagen. Dafür zitierte sie den jüdischen CDU-Abgeordneten Michel Friedmann: „Es ist nicht gut, wenn der erste Kontakt von hier geborenen Kindern der mit dem Ausländeramt ist“. Dafür zitierte sie, „weil Herr Borttscheller das ja schlecht kann“, auch dessen ausländerpolitische Kontrahenten in der eigenen Partei sowie ihre CDU-Vorgängerin im Amt, Cornelia Schmalz-Jacobsen: „Es ist eine Lüge wider den Augenschein zu sagen, Deutschland sei kein Einwanderungsland.“

Allerdings räumte Beck, die noch für ein Einwanderungsgesetz wahlgekämpft hatte, hier grüne Koalitions-Unterlegenheit ein. Daß aber der rot-grüne Entwurf zur Staatsbürgerschaftsreform „mausetot“ sei, wie Borttscheller triumphierte, könne sie nicht bestätigen. Auf Borttschellers Hinweise zu Gewalttaten von PKK-Anhängern – was doch seine Sicherheitsbedenken bestärke, reagierte sie scharf: „Solche Menschen werden den deutschen Paß nicht erhalten.“

In einem Punkt aber gingen Borttscheller und Beck konform: Das sogenannte FDP-„Optionsmodell“, nach dem hier geborene Kinder von Ausländern bis zum 23. Lebensjahr eine doppelte Staatsbürgerschaft haben könnten, sei tatsächlich der „größte anzunehmende Unfug“, wie der Spiegel jüngst getitelt hatte. Becks Begründung: Es gebe viele juristische Widersprüche zum Grundgesetz. Borttscheller dagegen favorisierte „das einfache CDU-Modell“: Mit 18 Jahren sollen sich hier geborene Kinder von Ausländern für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. „Denn bislang überzeugt mich kein Beispiel, warum jemand zwei Pässe braucht.“ Darin lauerten Gefahren: „Türkisch als Amtssprache“, Minderheitenwahlrechte wie sie die schleswig-holsteinischen Dänen schon genießen sowie „ein Riesenzuzugsproblem; und das bei einer Million arbeitsloser Ausländer, die schon in Deutschland leben.“

Kampfeslustig reagierte Beck: „Sie müssen sagen, daß Sie über Aberkennung des jetzigen Status für Ausländer nachdenken, Herr Borttscheller.“ Das sei neu, ließ sie das Mikrofon gar nicht wieder los. „Wollen sie hier lebende Migranten wieder vor die Tür setzen?“

Beck betonte: Das Wesen von Demokratie sei, „Einladen zum Mittun.“ Sie grenze sich vom „völkischen Staatsbegriff“ Borttschellers ab. Der Wohnort müsse Grundlage für die Teilnahme an Demokratie werden – was in einer repräsentativen Demokratie auch gegen viele gesammelte Unterschriften durchsetzbar sei. „Sonst gebe es den Euro nicht.“ ede