: Fleischberge voraus
■ Männerkult: Thom Fitzgeralds „Beefcake“
Für Bob Minzer war es Kunst. Als er 1945 die „Athletic Model Guild“ gründete, wollte der schüchterne 32jährige Fotograf aus Los Angeles bloß zeigen, wie schön männliche Körper aussehen können. Er dachte an eine moderne Version von Michelangelo und Caravaggio. Weil seine Leidenschaft aber auch Geld bringen sollte, legte Minzer eine Kartei an, mit der die jungen Männer an andere Fotografen vermittelt werden konnten: Das Ergebnis war eine der ersten Agenturen für male models. Die Staatsanwalt sah es anders und klagte Minzer in den 50er Jahren wegen Prostitution an. In der Zwischenzeit wurden seine Fotos zur Legende: Als „Physical Culture“-Magazine in Kleinauflagen veröffentlicht, schuf Minzer den Mythos vom „Beefcake“ – Männer wie wandelnde Fleischberge. Nackt, enorm muskulös und irgendwie lecker.
Thom Fitzgeralds „Beefcake“ geht auf eine Recherche von Valentine Hooven zurück, 1995 als Buch erschienen. Der Film zum Männerkult in den Fifties ist ironisch, camp und manchmal hart am Homo-Kitsch. Während die Originale – bis auf die üppigen Heldensagencover von Quaintance und Tom of Finland – meistens schwarzweiß waren, baut Fitzgerald seine Welt in schrillen Farben. Braungebrannte Jünglinge räkeln sich am azurblauen Pool, der Fußboden leuchtet rot, und die Wände sind in Dottergelb gestrichen. Dadurch kommt die Szenerie den knallig lackierten Automobilen aus der Ära ziemlich nahe. Überhaupt scheint die Liebe zu Muskeln gut in den Zeitgeist von allmächtigen Maschinen und der Eroberung des Weltalls zu passen. Dagegen wirken die jungen Männer seltsam tugendhaft, wenn sie in Cowboystiefeln oder mit Matrosenhut posen.
Im Mittelpunkt von „Beefcake“ steht jedoch der Prozeß gegen Minzer: Seine Fotos galten als obszön, Homosexualität war strafbar. Fitzgerald versucht nicht, das Gerichtsverfahren neu aufzurollen. Aber seine Interviews mit Minzers früheren Modellen dokumentieren, daß die Trennlinien damals unscharf verliefen. Joe Dallesandro erklärt, daß ihn Sex nur interessierte, wenn es der Karriere nützte, für andere blieben blow jobs eher Gefälligkeiten unter Freunden. Die meisten Athleten waren ohnehin stockheterosexuell – zum Leidwesen von Bob Minzer. Insofern zeigt „Beefcake“ die alte Geschichte um sublimierte Triebe. Daß sich das dazugehörige Männerbild durchsetzen konnte, sieht man an den Sandalenfilmen der fünfziger Jahre. Und am Aufstieg von Tony Curtis, Marlon Brando oder James Dean... Harald Fricke
Panorama: 20.2., 20.30 Uhr, Atelier am Zoo; 21.2., 21 Uhr, Filmpalast
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen