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Atomgesetz ohne WAA-Verbot

■ Umweltminister Trittin kommt den Atomkonzernen entgegen. Castor-Gegner können sich trotzdem freuen: Die Transportbehälter sind zu schwer und kommen nicht mehr bis Gorleben

Hannover (taz) – Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) hat einem gesetzlichen Verbot der Wiederaufarbeitung ade gesagt. Die neueste Fassung des seit Monaten strittigen Entwurfs zur Änderung des Atomgesetzes enthält das von den AKW-Betreibern heftig bekämpfte WAA-Verbot nicht mehr. Das bestätigte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums am Montag.

Mit der Überarbeitung des Entwurfs habe man den Ergebnissen der ersten Energiekonsensrunde Rechnung getragen, sagte Ministeriumssprecher Franz August Emde. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte pünktlich zum ersten Gespräch mit den Energieversorgern das eigentlich im rot-grünen Koalitionsvertrag vorgesehene Ende der Wiederaufarbeitung gekippt, nachdem die großen AKW-Betreiber mit einem Boykott gedroht hatten.

Emde erklärte, die Wiederaufarbeitung werde auch ohne das Verbot in einigen Jahren beendet. „Die Atomkraftwerksbetreiber müssen jetzt nachweisen, daß sie bei der Wiederaufarbeitung von Brennelementen in England oder Frankreich ihren Atommüll tatsächlich verwerten“, sagte er. Schon das geltende Atomgesetz erlaube die Wiederaufarbeitung nur als schadlose Verwertung abgebrannter Brennelemente.

In der nächsten Konsensrunde am 9. März solle festgelegt werden, wie ein Verwertungsnachweis im einzelnen aussehen soll. In jedem Falle müßten die AKW-Betreiber, die weiter wiederaufarbeiten wollten, darlegen, daß das bei der Wiederaufarbeitung extrahierte Plutonium tatsächlich in neuen Mischoxid-Brennelementen verarbeitet werde. Die Fertigung dieser Brennelemente sei jedoch teuer. Daher könne realistischerweise erst das Jahr 2004 als Zeitpunkt für einen freiwilligen Rückzug der Betreiber aus der Wiederaufarbeitung anvisiert werden.

Die anderen Teile der Atomgesetznovelle, die nun am 3. März vom Bundeskabinett beraten werden soll, sind laut Emde erhalten geblieben. Allerdings habe das Bundesumweltministerium das Gesetz insgesamt so überarbeitet, daß es im Bundesrat nun nicht mehr zustimmungspflichtig sei, sagte der Ministeriumssprecher.

Obwohl die Wiederaufarbeitung jetzt weitergehen soll, ist an eine Rückführung der hochradioaktiven WAA-Abfälle in die Bundesrepublik bis auf weiteres nicht zu denken. Transportzüge können das Gorlebener Zwischenlager, das als einziges die Glaskokillen aus der Wiederaufbereitung lagern darf, aus verkehrstechnischen Gründen nicht mehr erreichen.

Wie ein Sprecher der Deutschen Bahn AG in Frankfurt bestätigte, darf die von Lüneburg nach Dannenberg führende Bahnstrecke nur noch von Güterwagen mit einer maximalen Achslast von 16 Tonnen befahren werden, da die Höchstbelastung einer Brücke im wendländischen Serau von der Bahn von 22,5 auf 16 Tonnen herabgesetzt wurde. Wie die Gesellschaft für Nuklear-Service in Essen erklärte, haben die achtachsigen Güterwagen für die Kokillen-Behälter ein Gesamtgewicht von 160 Tonnen, also eine Achslast von je 20 Tonnen. Damit ist die Castor- Umladestation in Dannenberg, wo die Behälter von der Schiene auf die Straße gesetzt werden, vom Atommüllschwerverkehr abgeschnitten. Jürgen Voges

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