piwik no script img

Mit Licht bauen

Sonnentempel: Der Architekt Juan Navarro Baldeweg in der Galerie Renate Kammer  ■ Von Hajo Schiff

Was bei norddeutsch-grauem Wetter nicht recht vorstellbar ist, kommt unter Spaniens Sonne zu voller Wirkung: Die besondere Lichtführung der Architektur von Juan Navarro Baldeweg. Durch dreieckige Dachelemente durchflutet kaltes Nordlicht die von ihm gestalteten Räume, doch in Gegenrichtung ausgerichtete Lichteinlässe lassen gezielte Muster fast orangenen Südlichts darin zu.

„Ich könnte im Innenraum sogar den Effekt einer Wolke simulieren“, sagt der 60jährige Architekt, der für diese Dächer keine technische Bezeichnung hat, sondern sie poetisch „Strukturen für Licht und Schatten“ nennt. Im langgestreckten Hauptgebäude des Kulturzentrums von Villanueva de la Caada bei Madrid entsteht sauf diese Weise im Mittagslicht die kontrastreiche Wirkung einer teilweise überdachten Basarstraße.

In Bauten wie dem Kongreßpalast in Salamanca, bei denen Juan Navarro Baldeweg statt der flachen Lichtdächer Kuppelformen einsetzt, werden diese schwebend eingehängt, so daß sie wie auf einem Lichtkranz gelagert scheinen. „Schwerkraft und Licht sind die Hauptelemente der Architektur – und Licht kann so stark werden, daß es eine Substanz hat“, sagt der Madrilene, der vor der Architektur bildende Kunst studiert hat und heute in beiden Gebieten gleichermaßen geschätzt wird.

So sind in der Hamburger Ausstellung in der Galerie Kammer neben Konstruktionszeichnungen und Modellen eben auch große Ölbilder und equilibristische Plastiken mit paradoxen Schwerpunktverschiebungen zu sehen: Ein Messingring hängt senkrecht mit nur einer Aufhängung unter der Decke, aber die Befestigung ist nicht wie zu erwarten mittig, sondern seltsamerweise an der Seite. „Mich interessieren die Differenzen zwischen der Realität und der Wahrnehmung“, sagt der Architekt, dessen nicht auf ein künstlerisches Feld beschränkte Arbeit so gut zu dem ähnlich gelagerten Architektur-Ausbildungskonzept der Hamburger Hochschule für bildende Künste und dem Doppelkonzept von Renate Kammers „Galerie für Kunst und Architektur“ paßt. Zum Gesamtkunstwerk braucht es dann nur noch Baldewegs Hinweis auf Musik: „ Ich sehe Architektur als Instrument – wie eine Violine –, das mit den Energien der Natur spielt.“

In Hamburg war der Spanier, um zusätzlich zu seinen zahlreichen bisher erhaltenen Preisen auch die Architekturauszeichnung der Heinrich-Tessenow-Medaille der hiesigen Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. entgegenzunehmen. In der Begründung für diese Auszeichnung wird mehr Gewicht auf die Außenerscheinung von Juan Navarro Baldewegs Bauten gelegt. Denn alle leichten, mit modernster Technik gestalteten Lichtspiele des Inneren finden sich in einer mediterran kompakten Außenform, die in starkem Maße Rücksicht nimmt auf Materialien und traditionelle Typologien der jeweiligen Umgebung. Mit flexiblen Raumhöhen und Stockwerksgliederungen, mit Bruchsteinen auf Menorca und Ziegeln in Princeton kann sich diese Architektur, ohne Kopie zu sein, auch an historische Bausubstanz anpassen – ein heute nicht nur in Spanien häufiger Wunsch an Neubauten.

Galerie Renate Kammer, Münzplatz 1, Di – Fr 12 – 18, Sa 11 – 14 Uhr, bis 20. März

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen