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Die Verhandlung von Schicksalsfragen

■ Die albanische Delegation hat sich mit dem Vertragsentwurf von Rambouillet schwergetan. Sie wollten sich vor allem eine spätere Unabhängigkeit nicht versperren

Die albanische Delegation tut sich schwer mit der Entscheidung, dem Vertrag von Rambouillet zuzustimmen, auch deshalb, weil sie in dieser Frage gespalten ist. Der in den letzten Tagen sichtbare Druck der internationalen Vermittler, einige der grundlegenden Forderungen der Albaner fallenzulassen, geht an die Substanz.

Es sind im wesentlichen drei Punkte, die für die Albaner von allerhöchster Priorität sind. Erstens fordern sie, daß mit der Errichtung eines internationalen Protektorats für drei Jahre die Tür für die Unabhängigkeit Kosovos nicht zugeschlagen wird. Nach all den Erfahrungen mit dem Apartheidssystem der letzten Jahre, mit dem Polizeiterror und der wirtschaftlichen Ausbeutung können sich die Albaner nicht mehr vorstellen, in aller Zukunft in einem serbischen Staat zu leben. Sie wollen eine Garantie haben für demokratische Prozeduren. Diese aber begünstigen angesichts der überwältigenden Bevölkerungsmehrheit die albanischen Forderungen.

Sie fordern deshalb das Recht auf einen Volksentscheid über diese Frage. Die Rechte des zu wählenden Parlaments, wie sie im Rahmenvertrag von Rambouillet festgelegt sind, erscheinen den Albanern nicht weitgehend genug zu sein, die Option für die Unabhängigkeit ist in dieser Definition nicht enthalten. „Es geht jetzt um eine Schicksalsfrage, vergleichbar jener, die 1945 getroffen wurde. Damals hatte die Bevölkerung noch zu 75 Prozent für Jugoslawien gestimmt, das geht jetzt nicht mehr“, erklärten schon vor Tagen Vertreter der der kosovoalbanischen Befreiungsarmee UCK.

Die Versuche der westeuropäischen Politiker, der Desintegration Serbiens mit dem Argument zu begegnen, Europa wachse zusammen, weitere Teilungen brauche man nicht, wird von allen Fraktionen der Albaner zurückgewiesen. Erst einmal müsse man sich von Serbien trennen, um später wieder an Integration zu denken, wie dies Slowenien gelungen sei. „In ein demokratisches Europa fügen wir uns gerne, nicht jedoch in diesen Terrorstaat“, ist ihre Entgegnung.

Kompromisse könnten sich nach der Entwicklung der letzten Tage allerdings die Parteigänger des gewählten kosovo-albanischen Präsidenten Ibrahim Rugova vorstellen. Wenn Nato-Truppen im Kosovo stationiert würden, dann würde ihrer Meinung nach der Weg in die Unabhängigkeit ein quasi natürlicher Prozeß sein. Mit der Implementierung von Nato- Truppen als Friedensstreitkräften und der Errichtung eines internationalen Protektorats ginge für Rugova ein Traum in Erfüllung, denn genau diese Forderung hatte er seit 1992 gestellt. Wenn im Hintergrund noch die Zusicherung der USA gegeben würde – in bilateralen Geheimverträgen –, dann könnte sich diese Fraktion mit dem Vertrag abfinden. Zuspruch erhält diese Position zunehmend in Teilen der albanischen Bevölkerung, die nach dem massiven militärischen Aufmarsch der Serben in den vergangenen Tagen nur noch auf eines hoffen: daß so schnell wie möglich Nato-Truppen ins Land kommen.

Doch so weit ist es noch nicht. Ebenfalls in den letzten Tagen wurde nämlich vor allem britischer Seite versucht, die ursprünglich gemeinsame Position des Westens gegenüber Rußland, das von vornherein für ein schwächeres Mandat der Friedenstruppen im Rahmen der UN eintrat, aufzuweichen. Auf Kosten der Kosovo-Albaner sollte der serbischen Delegation entgegengekommen werden. Wenn aber dennoch Nato-Truppen kämen, würden die Albaner wohl unterschreiben. Auch das UCK-Mitglied Hashim Thaqi, Delegationsleiter in Rambouillet, müßte dies dann wohl tun.

Im Generalstab und auch unter den Anhängern der UCK herrschen aber zwiespältige Gefühle gegenüber einem starken Mandat der internationalen Truppen. Einerseits sehen sie in ihnen einen wirksamen Schutz gegen serbische Übergriffe. Sie bedeuteten andererseits aber auch die Zerstörung der UCK in ihrer jetzigen Form. Deren Generalstab hat sich vorbehalten, dem Abkommen selbst zuzustimmen. Erich Rathfelder, Sarajewo

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