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Enge Welt, kleinmütige Sehnsucht

■ Keine Macht übers eigene Bild: das Prostituieren-Porträt Wer zum Teufel ist Juliette?

Juliette, so heißen vielleicht kulleräugige Französinnen, die in Cafés über die Liebe nachdenken, über ihre kleine Seele und dekorativ geschwungene Luftbrücken zum großen Ganzen. Yuliet Ortega heißt eben nicht Juliette. Und ein Film über Yuliet, der den Titel Wer zum Teufel ist Juliette? trägt, bekennt sich dazu, eine Person nur fragend zu umkreisen, dabei keinen Zugriff auf ihre Identität zu haben und noch nicht einmal ihren Namen richtig schreiben zu können.

Yuliet ist Kubanerin, 16 Jahre alt, und um über die Liebe schmachtend nachzugrübeln, hat ihr die eigene Lebenserfahrung längst zuviel Skepsis in den Blick gestreut. Eigentlich will sie nur noch eins: noch einmal davonkommen. Ohne größere Wunden und mit einem Bündel Stolz, das sie schützend vor dem Rest der Welt hinter Patzigkeit und Resolutheit verschanzt. Seitdem sie ihren Heimatort San Miguel del Padron verlassen hat und nach Havanna gezogen ist, arbeitet sie als Gelegen-heitshure. Touristen gibt es genug. Und anders als die eigene Verwandtschaft, die Yuliet früh mißhandelte, bezahlen die Ausländer wenigstens und verschwinden dann aus ihrem Leben.

Auf Nimmerwiedersehen, wie ihr Vater. In ihrer grauen Kindheit ist er in die USA abgehauen. Daraufhin zündet ihre Mutter sich selbst im Badezimmer an. Yuliet wächst mit ihren Brüdern bei der Oma auf. Und die bearbeitet den Ungehorsam der Enkelin schon mal ausgiebig mit Stöckelschuhschlägen.

An manchen Tagen hat Yuliet nicht mehr viel mit ihrem Leben vor. Da streunt der Film wie ihre müden Gedanken und ist der jungen Frau wirklich nahe. Da ist die Welt zu eng und alle Sehnsucht kleinmütig. Bloß nicht verhungern, lieber an der Prostitution verrecken, schwört sie sich und schreit es als magische Formel in den Wind.

Manchmal jedoch zeigt der Film von Carlos Marcovich, der 1997 zahlreiche Festivalpreise von Kolumbien bis Mexiko erhielt, Yuliet, wie sie mit großen, traurigen Augen im Bett liegt. Ganz so, als sei alle Würde doch nur ein mit Trotz verkleidetes Häufchen Selbstverachtung. In diesen Sequenzen legt Wer zum Teufel ist Juliette? eine fiese, patronale Allwissenheit an den Tag und prahlt plötzlich, allen Anfängen zum Trotz, mit seinen intimen und authentischen Einblicken in Yuliets Binnenperspektive. Auch die Idee, eine Seelenverwandtschaft zwischen Yuliet und dem mexikanischen Topmodel Fabiola allein über die grüne Augenfarbe der beiden Frauen herstellen zu wollen, ist eher schalen Männerphantasien gezollt als den Biographien der beiden Frauen.

Für einen Film, der doch das Fragmentarische und Sprunghafte wider alle illusionistische Wahrhaftigkeit will, kommen diese Stellen fast einem Verrat gleich. Dann nämlich ist Yuliet den optischen Arrangements und der Perspektive ausgeliefert. Und wenn sie tausendmal muffelt, daß ihr das Filmteam auf die Nerven gehe. Die Macht über das eigene Bild gibt der Film ihr nicht mehr zurück.

So elegant und originell Wer zum Teufel ist Juliette? beginnt, so unprätentiös er zunächst um seine Protagonistin tänzelt, am Ende herrscht Kalkül und der Wille zum vorläufigen Happy End. Yuliet begegnet ihrem Vater. Sie stehen auf einer Insel irgendwo in New Jersey, und die Kamera steigt hoch in den Himmel, umarmt die Wiedervereinten und freut sich so unbändig, als hätte sie die eine Wahrheit nun doch gefunden. Doch die hört vielleicht auf den Namen „Juliette“.

Birgit Glombitza

Do, 25. Februar bis Mi, 10. März, 20.30 Uhr, 3001

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