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160.000 Familien ohne Strom und Wasser

■ Ganze Stadtviertel von Buenos Aires seit zehn Tagen ohne Saft. Energiekonzern versagt

Buenos Aires (taz) – Das Stadtviertel Once von Buenos Aires bei Nacht: Keine Straßenlaterne brennt, aus keinem der Häuser dringt ein Lichtstrahl. Spezialeinheiten der Polizei patrouillieren mit Nachtsichtgeräten durch die Straßen. Schon seit zehn Tagen sind in Argentiniens Hauptstadt 160.000 Familien ohne Strom. Ein Brand im Verteilerwerk der Stromgesellschaft Edesur legte die Energieversorgung mehrerer Stadtteile lahm. Das bedeutet für die Bewohner kein Licht, kein Strom und auch kein Wasser. Derzeit werden in Buenos Aires um die 31 Grad gemessen, der Sommer hat lange auf sich warten lassen und schlägt jetzt kräftig zu. Wer Glück hat, kann zu Bekannten in andere Stadtviertel gehen.

Die Bewohner in den betroffenen Vierteln sind wütend und verbarrikadieren täglich die Straßen. Händler, Restaurantbesitzer und Handwerksbetriebe sind verzweifelt – seit zehn Tagen haben sie keinen Peso verdient.

Der Stromkonzern Edesur versichert, alles zu tun, um den Schaden schnellstmöglich zu beheben. Zuerst wurde angekündigt, daß vergangenen Mittwoch wieder alles funktioniere, dann wurde der vergangene Sonntag anvisiert, gestern waren die Lichter immer noch aus. „Die Firma verhält sich unmöglich“, sagt Energieminister César MacKarthy und hat Edesur eine Strafe von 70 Millionen Dollar aufgebrummt, weil das Unternehmen seinen Versorgungsverpflichtungen nicht nachkommt.

Trotzdem sitzt der Staat in der Falle, weil eine Kündigung des Vertrages von Edesur Argentinien teuer zu stehen kommen könnte. Als die Stromversorgung für Buenos Aires Anfang der 90er Jahre privatisiert wurde, bekamen die Firmen Edesur und Edenor den Zuschlag und die Lizenz für 95 Jahre. Würde diese Lizenz jetzt gekündigt, könnte Edesur den Verdienstausfall für die noch ausstehenden Jahre einklagen. Und wenn Edesur aus dem Geschäft aussteigen müßte, würde Edenor in die Bresche springen – beide Firmen gehören denselben Kapitalgesellschaften.

Einige versuchen mit der Krise Geld zu machen. Im Stadtviertel Congreso bieten gewiefte Geschäftemacher fünf Liter Wasser für zehn Dollar an – Lieferung über die Treppe bis in den siebten Stock mitinbegriffen. Gerade Rentner müssen davon oftmals Gebrauch machen, da sie es ohne Aufzug nicht mehr schaffen, die schweren Wasserflaschen selbst hochzuschleppen. In der Eisdiele Sorrento im Congreso-Viertel hatten sich schon am ersten Tag 174 Kilo Eis in eine schmierige Pampe verwandelt. Das entspricht dem Absatz an einem normalen Sommertag. Ingo Malcher

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