„Eine Bombe bin ich auf dem Platz“

Der kurdische Fußballprofi Müslüm Can hat Angst vor Stereotypen. Bei Tennis Borussia Berlin spielt er mit zwei Türken. Mit denen möchte er in die türkische Nationalmannschaft  ■ Von Carsten Beyer

Berlin (taz) – Die Stimmung ist gut beim Fußball-Zweitligasechsten Tennis Borussia Berlin. Vor dem Wiederbeginn der Liga am Wochenende sieht selbst der vorsichtige Cheftrainer Stanislav Levy gute Chancen für den Aufstieg in die erste Bundesliga. Da kommen die Verwicklungen der Politik eher ungelegen. Die Entführung von PKK-Chef Öcalan in die Türkei und die anschließenden Kurdenproteste mit dem traurigen Höhepunkt der drei Toten am israelischen Generalkonsulat in Berlin haben auch bei der internationalen Charlottenburger Truppe für Gesprächsstoff gesorgt. Schließlich stehen mit Faruk Namdar und Celaleddin Kocak zwei türkische Spieler im Team – und mit Müslüm Can ein kurdischer. Sorgen um Übergriffe in der Umkleidekabine muß sich Zeugwart Frank Lange aber nicht machen. Das anatolische Trio harmoniert nicht nur auf dem Platz.

Can (23) und Namdar (24) sind beide in Berlin geboren und kennen sich seit ihren Tagen in der Jugendabteilung des BSV Hürriyet. Über die Reinickendorfer Füchse kamen sie Anfang 1997 zu TeBe, damals noch in den Niederungen des Amateurfußballs. Der linke Bahnenspieler Kocak kam aus der TeBe-Jugendabteilung dazu. Die unschönen Erfahrungen in der Regionalliga Nordost, die ständigen Pöbeleien rechter Hooligans und die ausländerfeindlichen Gesänge in den Stadien schweißten die drei sogar noch enger zusammen.

Müslüm Can, dessen Eltern im kurdischen Norden Syriens geboren wurden, spricht ohnehin nicht so gerne über seine Herkunft. Er hat Angst, mit kurdischen Gewalttätern in einen Topf geworfen zu werden. „Ich habe gerade irgendwo gelesen, jeder Kurde ist eine Bombe“, sagt er verärgert. „Das ist doch Quatsch. Da müßte ich ja auch eine Bombe sein. Auf dem Platz, ja, da bin ich vielleicht eine Bombe!“

Gespräche über Politik sind selten unter Fußballern. Aber in der letzten Woche wurde er immer wieder von seinen Mitspielern gefragt, ob er denn auch auf der „Demo“ war. Doch Can ist selbst nicht gerade auf den Mund gefallen. Ohnehin sieht er sich mehr als Türke denn als Kurde. Aufgrund seiner konstant guten Leistungen bekommt der schnelle Bahnenspieler in letzter Zeit immer wieder Angebote von türkischen Vereinen, auch von Besiktas Istanbul. Dort besteht die Hälfte der Mannschaft aus Kurden. Momentan zieht er es aber vor, in Berlin zu bleiben, wo er bei seinen Eltern wohnen kann und die ganze Nachbarschaft stolz auf ihn ist. Angst vor der ersten türkischen Liga ist nicht im Spiel: „Wer in der zweiten Bundesliga besteht“, sagt Can, „der kann auch drüben spielen, locker.“ Das habe man ja bei dem zu Saisonbeginn vom Bundesligisten Schalke verpflichteten Hami gesehen: „In der Türkei ein Gott, und hier kommt er kaum zum Einsatz.“

Sofort in die Türkei gehen würde Can allerdings, wenn ein Angebot des türkischen Nationaltrainers käme. Auf eine kurdische Nationalmannschaft zu warten, hat er keine Lust: „Was nützt mir das, wenn ich 50 Jahre alt bin?“

Die türkische Nationalmannschaft ist auch das große Ziel von Celaleddin Kocak (21), den alle nur Cili nennen. Einmal durfte er immerhin für die U 21 spielen. „Das ist doch eine einmalige Sache, einmal für die Türkei. Dann ein Sieg gegen Deutschland und das Trikot aufheben. Das wär's!“ Am liebsten würde er gleich im Dreierpack auflaufen mit seinen Spezis, schon allein um kurdischen und türkischen Nationalisten zu demonstrieren, daß es auch gemeinsam geht.

In seinen Wunschträumen stört es ihn nicht, daß die drei Freunde selbst im Berliner Mommsenstadion nur in Ausnahmefällen zusammen auf dem Rasen stehen. Seitdem Trainer Levy die Offensivqualitäten des gelernten Verteidigers Can kennengelernt hat, konkurrieren Can und Kocak um die Position auf der linken Außenbahn. Der Freundschaft hat das bisher noch nicht geschadet. „Der Bessere soll spielen“, sagen beide. Am Sonntag gegen Oberhausen wird wohl der Kurde sein.