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Batida de Cuba

■ Schöne Menschen, schnelle Schnitte: Carlos Marcovich erzählt in "Wer zum Teufel ist Juliette?" von einer kubanischen Prostituierten

Wie stellt man sich einen Dokumentarfilm vor, der die Prostitution Minderjähriger in einem Entwicklungsland zum Thema hat? Man denkt an Nahaufnahmen von Gesichtern, die jung sind und uralt zugleich. Man sieht Tränen in den Augen der Akteurinnen, wenn die Rede auf einschneidende Erlebnisse kommt. Dazu Bilder von Spelunken, von dreckigen Straßen und slumähnlichen Siedlungen. Dann harte Schnitte, denen Aufnahmen idyllischer Strände und großzügiger Hotelanlagen folgen, in denen sich Touristen tummeln. Ein Kommentar aus dem Off, der an den richtigen Stellen bedeutungsschwer pausiert.

Von Aids könnte er erzählen, von Hungerlöhnen und von der verlorenen Kindheit. In jedem Fall hat man nach einem solchen Film die Gewißheit, tief geblickt und viel begriffen zu haben: Die Welt ist schlecht, und die Frau, so sie aus Bangkok, Recife oder Havanna kommt, chancenlos.

Man kann es auch ganz anders machen. Wie, das zeigt der in Argentinien geborene, in Mexiko arbeitende Regisseur Carlos Marcovich mit „Wer zum Teufel ist Juliette?“ Marcovich hat bisher hinter der Kamera gearbeitet und Musikvideos gedreht. Das merkt man seiner Dokumentation an: Sie ist heiter, beschwingt, lebt von schönen Menschen und schnellen Schnitten, von der Fabulierlust ihrer Akteure und den Rhythmen des Bolero und Salsa. Im Mittelpunkt des Films steht Yuliet Ortega, eine 16jährige Kubanerin, die gelegentlich als Prostituierte arbeitet.

Ihre Mutter ist tot, der Vater abwesend: Einer von den vielen, die sich kurz nach der Geburt des Nachwuchses aus dem Staub gemacht haben. An Yuliets Seite agiert Fabiola Quiroz, ein mexikanisches Fotomodell. In einer Welt, in der der Körper Warencharakter hat, hat sie das vergleichsweise bessere Los gezogen, und folgerichtig dient sie der jungen Kubanerin als Vorbild.

„Wer zum Teufel ist Juliette?“ bringt die Koordinaten, die unser Bild vom Elend in der Fremde bestimmen, gehörig durcheinander. Wo man die Beichte traumatischer Erfahrungen erwartet, streitet sich die Protagonistin mit ihrem Bruder übers Christentum. Statt über Mangel und Zwang auf Kuba zu klagen, sagt sie, daß man auf der Insel tun und lassen könne, was man wolle.

Und wo filmische Zurückhaltung als angemessen gilt, zieht Marcovich alle Register, montiert er – vor allem bei Gesprächen – zusammen, was sich unabhängig voneinander zugetragen hat, schert er sich nicht um räumliche oder zeitliche Einheiten, enthält er sich jedes Kommentars. Manchmal stellt er auch den Tontechniker ins Bild, manchmal läßt er sich von den Akteuren direkt ansprechen: Daß hier gefilmt wird, ist nie ein Geheimnis.

All dies macht „Wer zum Teufel ist Juliette?“ zu einem sehenswerten Experiment, zu einem doppelbödigen Spiel mit dem Anspruch des Dokumentarfilms, Einblicke und Aufklärung zu bieten. Dumm nur, daß Markovich dabei manchmal in die Voyeurismusfalle tappt: Warum muß er Yuliet tropfnaß unter die Dusche stellen, wenn sie von ihrem ersten sexuellen Erlebnis – einer Vergewaltigung – erzählt? Warum muß sie sich unbedingt zwischen den Laken räkeln, wenn es um ihre italienischen Freier geht?

In solchen Augenblicken ist die Lust an der Ironie nur noch Schein, bleibt vom Spiel des Zeigens, Nichtzeigens und Nasführens nichts als der indiskrete Blick der Kamera. Cristina Nord

„Wer zum Teufel ist Juliette?“ Regie: Carlos Marcovich. Mit: Yuliet Ortega, Fabiola Quiroz, Michel Ortega u.a., Mex. 1997, 90 Min.

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