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Auf Diskriminierung folgt Suizid

■ Stahmer-Studie: Junge Schwule und Lesben sind Anfeindungen ausgesetzt und erheblich selbstmordgefährdet. Mehr Beratung nötig

Schwule und lesbische Jugendliche sind nach einer Studie des Berliner Senats etwa viermal so stark selbstmordgefährdet wie ihre heterosexuellen Altersgenossen. In der gestern vorgestellten Untersuchung gaben 18 Prozent der Befragten an, bereits mindestens einmal versucht zu haben, sich das Leben zu nehmen. Unter den heterosexuellen Jugendlichen gelten 4 Prozent als suizidgefährdet.

Jugendsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) sagte bei der Präsentation der ersten deutschsprachigen Studie über junge Homosexuelle, die Betroffenen seien trotz mancher gesellschaftlicher Verbesserung für Schwule und Lesben noch immer starken Anfeindungen und Benachteiligungen ausgesetzt. „Die Jugendlichen erleben ganz handfeste Diskriminierungen“, sagte Stahmer.

Nach der Befragung unter 217 jungen Menschen aus Berlin erleben über 40 Prozent der Lesben und 60 Prozent der Schwulen ihr Coming-out – das Bewußtwerden der eigenen Homosexualität – vor dem 18. Geburtstag. In der Regel reagiere mindestens ein Elternteil negativ auf die Homosexualität von Sohn oder Tochter. Zwei Drittel der Befragten im Alter von 15 bis 27 Jahren gaben an, Beschimpfungen oder körperlicher Gewalt ausgesetzt zu sein. Den Betroffenen fehlt es der Studie zufolge an Informationen über homosexuelle Lebensweisen sowie an Vorbildern. Sie blieben bei der Entwicklung ihrer Identität häufig allein. „Einsamkeit ist daher auch das am häufigsten genannte Problem der jungen Lesben und Schwulen“, heißt es in der Studie.

62 Prozent der weiblichen und 44 der männlichen Befragten gaben in der Studie an, mindestens schon einmal mit dem Konsum von Drogen oder Alkohol auf ihre Probleme reagiert zu haben. 26 Prozent der Mädchen und 11 Prozent der Jungen nahmen eine Therapie auf. Nur 1 Prozent gab an, noch nie große Probleme mit der eigenen Sexualität gehabt zu haben. Stahmer sagte, die Studie „widerlegt die Vermutung, daß für Homosexuelle heute alles ganz einfach ist“. Die Befragten hätten von Angriffen berichtet, etwa davon, wie sie auf einer Klassenfahrt im Einzelzimmer hätten schlafen müssen. Trotz der Anfeindungen entwickelten rund 70 Prozent der jungen Homosexuellen ein „positives Selbstbild“.

Als Konsequenz der Ergebnisse verlangte Stahmer mehr Beratungs- und Informationsangebote für die Jugendlichen und ihre Eltern. Auch in den Schulen müßten stärker als bisher „vorurteilsfreie Informationen“ zu dem Thema vermittelt werden. Außerdem sollten die Einrichtungen der Jugendhilfe ihren Blick für die Probleme der jungen Lesben und Schwulen schärfen. AFP/taz

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